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Die Praxis, die über Buddha hinausgeht

 

Während der drei Sesshin-Tage hat jeder von uns vertrauter mit sich selbst werden können. Nicht nur mit seinen Gedanken, Wünschen, Illusionen, sondern, so hoffe ich, auch mit der wahren Natur seiner Existenz.

Wenn man mit dieser wahren Natur unserer Existenz vertraut wird, kann man die gleiche Erfahrung machen wie Buddha. Nicht nötig, Buddha außen zu suchen. Nicht nötig, von Unterweisungen abzuhängen. Weil die Wahrheit bereits in jedem von uns existiert, sind wir bereits die Wirklichkeit, zu der Buddha erwacht ist.

Von diesem Gesichtspunkt aus kann man sagen, dass uns nichts fehlt. Vom Gesichtspunkt der Buddha-Natur aus sind alle Wesen Buddha-Natur. Das hängt nicht von ihrer Intelligenz, ihrer Kultur oder der Dauer ihrer Praxis ab. In diesem Sinn kann man realisieren, dass uns im Wesentlichen nichts fehlt.

Das bedeutet aber natürlich nicht, dass in unserem Leben oder im Leben der anderen keinen Mangel gibt. Einigen fehlt Geld, andere haben nicht einmal genug zu essen, vielen fehlt Liebe, manchen fehlt Gesundheit, anderen fehlt Zeit. Aber wenn man begreift, dass im Grunde nichts Wesentliches fehlt, sind die kleinen Mängel des Alltags weniger wichtig. Vor allem wird klar, dass man nicht dadurch glücklich wird, dass man diese kleinen Mängel ausgleicht.

Natürlich können wir unsere Gesundheit, unseren Komfort, unser Wohlbefinden verbessern. Das alles sollte man nicht vernachlässigen. Aber wenn das Wesentliche nicht realisiert ist, wird all das nicht ausreichen. Dann gibt es immer Unzufriedenheit. Diese Unzufriedenheit schafft neue Wünsche, die uns wiederum weiter vom Wesentlichen entfernen.

Die ganze moderne Welt dreht sich darum. Dieser Prozess ist verantwortlich für alle Hungersnöte, für alle Kriege, für alles Unglück der Menschheit. Er ist das Ergebnis des Fehlens des Erwachens bei jedem einzelnen, des fehlenden Erwachens zur Wirklichkeit unserer wechselseitigen Abhängigkeit mit allen Wesen, zum Lebens jenseits aller Kategorien unseres kleinen Egos.

Ohne dieses Erwachen kann es keine wirkliche Solidarität und kein wirkliches Mitgefühl geben. Denn ohne dieses Erwachen hat man immer den Eindruck, dass man selbst etwas verliert, wenn man den anderen etwas gibt, dass, wenn die anderen mehr haben, man selbst weniger hat. Vor allem versteht man nicht, dass wirkliches Glück nicht von Haben oder Nicht-Haben abhängt.

Selbstverständlich muss man die Mittel haben, um leben zu können, um nicht zu verhungern, muss man die Mittel für eine gute Gesundheit haben, ein Dach über dem Kopf. Das sind Grundbedürfnisse, die man nicht vermeiden, auf die man nicht verzichten kann. Aber diese Dinge sind vorhanden. Man kann sie mit allen Wesen teilen, wenn man seinen Egoismus aufgeben kann.

Aber selbst wenn man zu diesem Leben jenseits der Grenzen unseres kleinen Egos erwacht, sollte man nicht glauben, dass dieses Erwachen sofort ausreicht. Denn unser Erwachen hängt immer von der Tiefe unserer Praxis ab. Es ist nicht so, dass man, weil man einen Blick auf die Wirklichkeit geworfen hat, die Praxis in dem Glauben beenden kann, dass das genug sei. Sonst läuft man Gefahr, wie der Mensch zu werden, der sich mitten auf dem Meer umsieht und nur einen weiten Wasserkreis um sich herum sieht und sich nun vorstellt, dass das Meer nur ein weiter Wasserkreis ist. Wo doch das Meer nicht nur ein Wasserkreis ist: Jenseits des Horizonts gibt es alle möglichen Welten, Küsten, Landschaften, Inseln. Unter der Oberfläche befindet sich noch eine andere wunderbare Welt, der Palast aller Fische, aller Meerestiere. Jeder kann dieses Meer auf seine Weise sehen: Für die einen ist es durch die Fischerei eine Einkommensquelle, für andere ein Ort, um Wassersport zu betreiben, für wieder andere ein wirtschaftlicher Transportweg.

Die Leerheit unseres Egos und die wechselseitige Abhängigkeit aller Wesen zu realisieren ist die Grundlage des Erwachens. Aber das reicht nicht. Wir müssen unsere Sichtweise vertiefen, damit das Sehen der Leerheit unseres Egos es uns ermöglicht, unsere Identität mit allen lebenden Wesen zu spüren, damit wir jede Trennung zwischen uns selbst und den anderen aufgeben und eine wirkliche Sympathie mit allen Wesen empfinden können. Ohne das läuft man Gefahr, ein trockener Weiser zu werden, vielleicht sogar ein Nihilist, der sich an eine dogmatische Sicht der Leerheit klammert: 'Alles ist leer, nichts hat Substanz. Warum sollte ich irgendetwas tun.’

Um vom Sehen der wechselseitigen Abhängigkeit zu wirklich gelebter Solidarität zu kommen, müssen wir unsere Praxis völlig vertiefen, um die Hindernisse zu überwinden, die mit unseren alten geistigen Gewohnheiten zusammenhängen. Das Erwachen kann unmittelbar und plötzlich sein. Aber seine Realisation im Alltag, sein Ausdruck in allen Aspekten des Lebens braucht Zeit. Das ist fortschreitend. Deshalb müssen wir mit der Praxis fortfahren, ohne jemals zu glauben, verstanden zu haben. Das nennt man 'Praxis, die sogar über Buddha hinausgeht’, 'Praxis, die sogar über das Erwachen hinausgeht’.

Ich wünsche jedem von uns, dies immer tiefer zu realisieren.

Kusen, 3.10.05, Grube Louise

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