BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

BIOGRAPHISCHES

 


Gab es irgend etwas in Ihrem früheren Leben, das Ihnen den Grund dafür gegeben hat, den Weg des Zen, insbesondere des Zazen, zu wählen?

Es ist schwierig zu sagen, was genau mich zum Zazen gebracht hat. Ich glaube, es ist mein ganzes vergangenes Leben. Alles hat dazu beigetragen, mich in die Richtung von Zazen zu stoßen. Ich kann nur die letzten Augenblicke vor dem Zazen nachzeichnen. Das waren Augenblicke großer Hoffnungslosigkeit, großer Verzweiflung. Ich zweifelt sehr am Sinn des Lebens.

Zunächst glaubte ich, daß es möglich sei, den Lebenssinn in der sozialen Aktion zu verwirklichen. Ich glaubte sehr an die Möglichkeit sozialen, wirtschaftlichen und politische Handelns, um eine gerecht Welt zu schaffen, mit mehr Freiheit und mehr Glück. Aber ich war sehr enttäuscht von allen politischen Aktionen. Ich sah, daß überall dort, wo Anstrengungen unternommen wurden, sie schließlich verraten wurden.

Ich trat eine Reise an, um das zu betrachten, um zu sehen, wie die Welt sich bewegt. Nach einiger Zeit bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß es nur möglich ist, sich selbst zu ändern. Das ist das wichtigste. Denn wenn es nicht möglich ist, das menschliche Ego zu ändern, sein eigenes Ego zu ändern, wird alles, was man tut, notwendigerweise korrumpiert durch den Profitgeist, durch Machtwünsche. Ich habe mir dann gesagt, die einzige wirkliche Revolution, die ich bewirken kann, ist eine Revolution in mir selbst. Ich glaube, das ist bei jedem so.

Da habe ich mich auf die Suche nach einem Weg gemacht. Ich dachte natürlich an eine religiöse Praxis, aber ich konnte nicht zum Katholizismus meiner Kindheit zurückkehren. Für mich war er ein bißchen illusionär, zu sehr gegründet auf den Glauben an irgend etwas anderes. Ich hatte diesen Glauben nicht. Das, was für mich bedeutsam war und bedeutsam bleibt, ist die Erfahrung, die Wahrheit direkt zu verwirklichen. Nicht, indem man gläubig an irgendwas glaubt, nicht, indem man ein Gedankensystem oder Glaubenssystem übernimmt, sondern indem man die Wirklichkeit direkt sieht, so wie sie ist. Die Meditationssysteme, die man z.B. in Indien findet, erscheinen mir zu kompliziert, zu sehr an verehrende Praxis, an Glaubenseinstellungen gebunden.

Zu dem Zeitpunkt sagte mir eine Frau: „Mit deinem Geisteszustand müßtest du dich eigentlich für Zen interessieren." Danach habe ich während meiner Reise weiterhin eine Menge Erfahrungen gemacht. Ich wurde immer hoffnungsloser. Aber irgendwo im Hinterkopf blieb dieser Gedanke: ‘Ach, vielleicht ist dieses Zen eine Lösung.’ Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was das war. Es war nur ein Wort für mich.

Eines Tages war ich wirklich völlig in der Sackgasse, ich konnte nicht einmal mehr meinen Rucksack nehmen und weiterreisen. Ich hatte immer den Gedanken: ‘Außerhalb, woanders muß doch eine Lösung sein.’ Deshalb nahm ich jeden Tag meinen Rucksack, um zu sehen, wo außerhalb und wo anders das sein könnte. Ich wurde von diesem Außerhalb, diesem Woanders sehr stark angezogen. Während langer Zeit war das sehr aufregend. Aber ab einem bestimmten Augenblick wurde es völlig verzweifelnd. Denn ich begann zu glauben, daß es draußen nichts mehr gibt, daß es keine Hoffnung gibt. Ich konnte mich überhaupt nicht mehr bewegen, war völlig blockiert.

In dem Augenblick habe ich wieder an dieses Wort ‘Zen’ gedacht. Zu einer Gruppe junger Leute, mit denen ich zusammen war, habe ich gesagt: "Ach, ich würde gerne Zen praktizieren". Jemand hat mir die Adresse eines kleinen Tempels in Kyoto gegeben, in dem am nächsten Tag ein Sesshin anfing.

Als ich in diesem Tempel ankam und sagte, ich würde gerne Zen praktizieren, hat mich der Mönch, der mich in Empfang nahm, direkt ins Dojo gebracht und mir die Zazen-Haltung gezeigt. Er hat mir überhaupt nichts erklärt, nur die Haltung und die Atmung. Diese Einführung hat vielleicht zwanzig Sekunden gedauert, und ich fand mich in dieser Haltung wieder. In einem Augenblick, ich weiß gar nicht, wie lange das gedauert hat, habe ich ein großes Glücksgefühl empfunden. Ich weiß nicht genau, was da abgelaufen ist. Aber mein Geist hat sich da komplett geändert, hat sich um 180 Grad gedreht. Ich habe überhaupt nicht mehr das Bedürfnis nach etwas anderem empfunden. Es war wie ein In-Kontakt-Treten mit einer Wirklichkeit in mir, die ausreichend war. - Das ist sehr, sehr schwierig mit Worten zu erklären. - Das Ergebnis war, daß ich plötzlich völlig ruhig, in völligem Frieden war. Es war nicht mehr notwendig, irgend woanders hinzugehen, irgendwo etwas zu suchen, irgend etwas zu erwarten. Das ging sogar so weit, daß die Frage nach dem Sinn des Lebens keinen Sinn mehr hatte. Für mich war es ausreichend, einfach zu sitzen. Dem fehlte nichts. Es war nicht notwendig, dem noch irgendeinen Sinn aufzusetzen. Das war der Kontakt mit einer Dimension des Lebens, die die Frage nach dem Sinn auflöste.

Aber das ist natürlich etwas, was ich jetzt erkläre, während ich darüber nachdenke. In dem Augenblick damals habe ich das nicht analysiert. Ich habe nur ein großes Glück, eine große Freude und großen Frieden empfunden und den Wunsch, diese Praxis fortzusetzen. Es war nicht mehr nötig, irgendwo anders hinzufahren, irgend etwas anderes zu suchen.

Anschließend bin ich nach Frankreich zurückgekehrt. Dort habe ich dann Meister Deshimaru und seine Unterweisungen kennengelernt, der von Meister Dogen und von Meister Kodo Sawaki sprach. In all diesen Unterweisungen fand ich genau das ausgedrückt, was ich empfunden hatte, aber entwickelt und mit vielen verschiedenen Aspekten zum Ausdruck gebracht. Natürlich habe ich an alle diese Aspekte zuvor nie gedacht. Sie waren wie Erweiterungen, wie Blätter und Blütenzweige, die aus derselben Wurzel entspringen. Ich hatte natürlich große Lust, diese Praxis fortzusetzen und ihr mein Leben zu widmen und sie mit anderen zu teilen. Denn ich selbst hatte die Erfahrung gebracht, daß mich dies völlig aus meiner Verzweiflung herausgebracht hat.

Als ich mir später Gedanken darüber machte, sagte ich mir, zu der gegenwärtige Zivilisation kann diese Praxis viel beitragen. Denn sie bringt keine zusätzlichen Glaubenslehren und zusätzlichen Ideologien in das Leben des einzelnen. Sie ist die Möglichkeit, in sich den Schlüssel zu finden, in der Wahrnehmung der Verbindung unserer Existenz mit der Existenz der anderen. Das ist für mich die Quelle des Sinnes. Wenn ich z.B. Zazen ganz alleine vor der Wand mache, dann brauche ich nicht an den Sinn zu denken. Zazen reicht. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist bedeutungslos. Aber ausgehend von Zazen begegne ich den anderen. Und das, was ich durch die Zazen-Praxis hindurch gelebt habe, bringt mich den anderen näher, ich bin mehr in Einklang mit den anderen, natürlich auch durch das Leiden bezüglich des Sinns des Lebens, das ich in meiner Vergangenheit erfahren habe. So habe ich natürlich das Bedürfnis, meine Erfahrung mit anderen zu teilen. Dieser Wunsch, diese Freude, das zu teilen, ist mein Lebenssinn.

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Wer oder was brachte dich zu Zazen? Wodurch wurdest du erweckt?

Es ist schwierig, darauf zu antworten, weil das, was mich zu Zazen gebracht hat, nicht zu fassen ist. Letztlich hat mich das ganze Dasein bis zu diesem Moment zu Zazen gebracht, also nicht etwas Besonderes. - Aber ich war mir einer gewissen Hoffnungslosigkeit in Hinsicht auf das Leben bewusst. Also dachte ich, dass eine spirituelle Revolution nötig sei, um einen anderen Blickwinkel zu entdecken als den der materialistischen Gesellschaft, in der ich lebte. Ich reiste umher wie ein Pilger, Tag für Tag. Ich hatte immer den Eindruck, dass da etwas war, das versteckt war, eine versteckte Wahrheit, die sich irgendwo offenbaren würde, und dass ich sie irgendwo entdecken würde. Diese Hoffnung wurde immer stärker. Aber am Ende hat sie sich wieder in Hoffnungslosigkeit verwandelt, weil es nichts Verstecktes gab. In diesem Moment befand ich mich in einem sehr großen geistigen Leid.

Als ich dann die Möglichkeit hatte, das erste Mal Zazen zu praktizieren, hatte ich vorher keinerlei Vorstellung davon. Ich hatte niemals das Wort Zazen gehört. Ich hatte auch keinen Glauben hinsichtlich Buddha oder Kesa. Das alles sagte mir nichts. Als ich mich dann in Zazen setzte, erschütterte mich das zutiefst. Diese Erfahrung wurde von einem Gefühl der Freude und Erleichterung begleitet. Ich hatte den Eindruck, dass es plötzlich keinen Zweifel mehr gab, dass es vollkommen ausreichte, sich einfach nur hinzusetzen und einfach da zu sein. Das ist genug, mehr braucht man nicht. Wozu woanders suchen?

Ich möchte das nicht Erwachen nennen. Für mich war das eine große Erschütterung. Plötzlich hatte ich das völlige Vertrauen, dass ich mein ganzes Leben ausgehend von Zazen lebe, dass das die Achse meines Lebens ist. Nicht, weil Dogen gesagt hat “Zazen ist Satori“ oder weil Meister Deshimaru sagte “Ihr müsst Zazen ewig weiter praktizieren.“ Das kannte ich alles noch nicht. Es war nur das Zazen selbst. Aber als ich diese Unterweisungen dann später hörte, war das für mich wie ein Echo: Genau, ich verstehe! – Es entsprach genau dem, was ich empfunden hatte.

Aus diesem Grunde mag ich Dogen so sehr, auch wenn ich achtzig Prozent von dem, was er sagt, nicht verstehe, weil es sehr kompliziert ist. Aber im wesentlichen Punkt, dem Shikantaza, stimme ich mit ihm überein. Das ist alles, was ich dazu sagen kann.

Später, als ich mit der Praxis fortfuhr und die Unterweisung von Meister Deshimaru erhielt, tauchte die Sinnfrage wieder auf, allerdings unter anderen Bedingungen: Ich hatte die grundsätzliche Erfahrung gemacht, dass keine Notwendigkeit besteht, den Sinn des Lebens zu suchen. Diese Frage war für mich vollkommen verschwunden.
Zum Beispiel benötigt die Blume auf dem Altar keinen Sinn, um zu sein. Eine Blume wächst auf dem Feld. Sie ist auf natürliche Weise schön. Aber wir Menschen sind sehr kompliziert aufgrund der Dualität unserer Sprache: „Ich kann nicht leben, wenn das, was ich mache, nicht für etwas gut ist.“ „Es hat es keinen Sinn und ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.“ - Das ist die menschliche Verrücktheit.

Ich denke, es wichtig ist, diesen Zweifel grundsätzlich zu lösen, indem man den sinnsuchenden Geist aufgibt. Davon ausgehend kann man frei auf eine Art und Weise leben, die einen Sinn hat, weil sie sich in Harmonie mit der Wirklichkeit befindet, nicht mit unseren geistigen Vorstellungen.

 

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