BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

EGO

 

Heute Morgen hast du gesagt, dass das Ego nur ein mentales Konstrukt ist, eine Sache, die man möglichst schnell loslassen sollte. Kannst du das näher erläutern? - Aus meiner Erfahrung heraus wünsche ich mir ein riesengroßes Ego, weil ich das Gefühl habe, dass damit alle meine Probleme und Schwierigkeiten gelöst wären. Ein anderer Aspekt ist, dass ich bei anderen Menschen sehr wohl wahrnehme, ob sie ihr Ego lieben und annehmen oder nicht.

Magst du dein Ego nicht, weil es nicht groß genug ist?

Ich komme hierher, damit es größer wird.

Das ist eine gute Idee! Aber dabei muss das Ego wirklich größer werden, viel größer, bis zu dem Punkt, wo es das ganze Universum einschließt, bis zu dem Punkt, wo es keine Trennung mehr zwischen dir und dem ganzen Universum gibt. Das ist die Verwirklichung des wahren Selbst, der wahren Natur unserer Existenz, die in Wirklichkeit ohne Trennung ist.

Was ich heute früh als Konstruktion bezeichnet habe, ist die persönliche Identität, die wir selbstverständlich aufbauen müssen, um uns von anderen zu unterscheiden. Es ist notwendig, eine persönliche Identität zu entwickeln, sie ist ein Teil der Entwicklung der menschlichen Psyche. Um die Identität aufzubauen, muss man sich von der äußeren Welt abgrenzen, von Mutter und Vater, den anderen Menschen, der ganzen Umgebung, der Natur. Bei der Entwick-lung der Individualität erzeugt man gewisse Trennungen und ist nicht mehr in einem Zustand der Verschmelzung mit dem ganzen Universum. Dies ist eine notwendige Etappe in der psychischen Entwicklung. Aber währenddessen verarmt man, man verkleinert das Sein, denn ursprünglich gab es keine Trennung zwischen uns und dem ganzen Universum. Aber um ich selbst zu werden, musste ich alles ausschließen, was nicht ich ist.

In diesem Zeitraum beginnt ein Kind ‚nein’ zu sagen und sich zu widersetzen. Es versucht, das zu kriegen, was es mag, und weist das ab, was es nicht mag. Es ist der ganz normale Prozess der Konstruktion des Egos. Aber jenseits dieses normalen Prozesses entsteht das Problem, dass wir an diesem Punkt stehenbleiben, wir bleiben in dieser Phase blockiert. Wir haben dermaßen viel Energie in den Aufbau unserer Individualität gesteckt, dass wir vergessen, dass diese Indivi-dualität, dieses Ego eigentlich eine Konstruktion ist, und dass wir uns angestrengt haben, um diese Identität aufzubauen. - Ich sage noch einmal: diese Konstruktion ist notwendig, aber sie ist nur eine Konstruktion.

Wenn man das versteht, kann man diese Konstruktion relativieren und diese andere Dimension wiederfinden, die wir vergessen haben. Diese Dimension ist viel größer, viel weiter als unser kleines Ego, das in diesem Hautsack eingeschlossen ist. - Alle Religionen versuchen, uns diese Dimension wiederfinden zu lassen. Im Christentum sagt man, wir wurden nach dem Bild Gottes geschaffen. Jeder Mensch hat Gott in sich. Für die Christen ist diese Dimension wichtig. Aber was bedeutet es, ein Abbild Gottes zu sein? Es bedeutet, nicht auf sein kleines Ego begrenzt zu sein. Gott ist groß! Es ist folglich eine Einladung zu wachsen.

Es geht also nicht darum, das Ego zu zerstören, sondern es als Konstruktion zu betrachten. Ja, es existiert. Dieses Ego bin ich, aber ich bin nicht begrenzt auf dieses Ego; mein Leben ist noch etwas anderes, geht über das Ego hinaus. Das Ego ist wie ein Kleidungsstück, aber man wird nicht auf dieses Kleidungsstück reduziert.

Das gilt auch für die gesellschaftliche Stellung: „Ich bin Architekt.“, „Ich bin die Gemahlin von Herrn Soundso.“, „Ich bin die Mutter von …“ – Natürlich ist man das, aber nicht nur. Hier kann man den weiten Geist wiederfinden, die Dimension des Daseins, die nicht auf die Dinge, mit denen man sich identifiziert hat, begrenzt ist. Der Mensch bemüht sich, durch eine Meditationspraxis, durch eine spirituelle Praxis das wahre Selbst wiederzufinden, das sich jen-seits der begrenzten Konstruktion, die man Ego nennt, befindet. Im Zen nennt man es Buddha-Natur, aber diese Buddha-Natur, die wir sind, ist im Grunde genommen unsere Existenz in völliger gegenseitiger Abhängigkeit mit allen Wesen. Wir müssen realisieren, dass wir nur in wechselseitigen Beziehungen existieren. Ich bin nicht nur ich, ich bin auch du, ich bin auch die anderen, ich bin auch die Bäume, ich bin auch die Berge, der Himmel, die Erde, weil ich in völliger gegenseitiger Abhängigkeit mit all dem bin. Und letztendlich kann ich eine Atmung, eine Weite, eine Dimension des Daseins wiederfinden, die viel größer ist als diese kleine, enge Idee, die man von sich hat.

Es geht somit nicht darum, das Ego auszulöschen. Man muss es als das ansehen, was es ist: eine nützliche Konstruktion. Aber wir dürfen nicht in ihm eingeschlossen bleiben, sondern müssen einen Weg finden, über das Ego hinauszugehen in eine viel weitere Dimension. Das ist genau das, was du suchst.

Nun sucht man oft nach etwas Größerem, weil man sich in seinem Ego beengt fühlt. Man möchte größer sein. Aber was bedeutet Größe? Man will reicher werden, möchte mehr Macht und Ansehen haben oder eine bessere gesellschaftliche Stellung. Man will der größte Architekt der Welt werden, der für seine Gebäude bewundert wird. Aber es ist ein Irrtum, eine Illusion, zu glauben, solche Dinge wären Ausdruck von Größe, sie sind nur eine weitere Illusion des Egos. Wahre Größe ist, die wirkliche Natur unserer Existenz wiederzufinden, die nicht von dem abhängt, was wir besitzen oder was wir erreicht haben: materieller Gewinn, gesellschaftliche Stellung, Macht und derartiges. Das sind Dinge, die die Menschen bewundern. Sie glauben, dass man groß ist, weil man eine Karriere gemacht hat. Aber die Karriere eines Bodhisattvas ist, immer weiter zur tiefsten Dimension des Lebens zu erwachen, um den Menschen zu helfen, sich selbst aus ihrem Gefangensein zu befreien, so wie wir selber in unserem kleinen Ego gefangen sind. Solange wir in den Dimensionen dieses kleinen Egos gefangen sind, können wir nie im Leben befriedigt sein. Irgendetwas fehlt uns immer. Es fühlt sich eng an, so dass wir immer den Eindruck haben, es fehle etwas, etwas, das wir erreichen könnten. Deshalb erzeugen wir immer mehr Wünsche, und uns geht es nicht gut, weil wir denken, dieses oder jenes noch nicht erreicht zu haben. Da wir immer etwas anderes haben wollen, werden wir Sklaven unserer Wünsche. Selbst wenn wir unsere Wünsche erfüllt haben, können sie uns nicht befriedigen, weil sie nicht das sind, was wir wirklich benötigen. Was wir brauchen ist, uns von der Illusion, nur dieses kleine Ego zu sein, zu befreien. Wir müssen erwachen zur größeren Dimension unseres Lebens.

Das ist genau das Ziel der Zen-Praxis. Und ich denke auch, dass alle großen spirituellen Wege in diese Richtung gehen. Ich denke, wenn du wachsen, größer werden willst, musst du die Anhaftung an diese Vorstellung von der Ego-Konstruktion loslassen. Du wirst nicht größer, wenn du versucht, dieses Ego zu stärken, sondern indem du dich von dieser Identifikation befreist und dir die Möglichkeit gibst, zu dem zu werden, was du wirklich in der Tiefe bist.

Du bist eine praktizierende Christin. Wie kannst du ein Abbild Gottes werden? - Ich glaube, das ist es, was du verwirklichen musst. Für eine Christin ist das das einzig Wichtige im Leben.

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Eines meiner Hauptprobleme ist, dass ich mich durch dich ziemlich demoliert fühle.

Was ist da demoliert?

Das Ego.

Aha.

Ich weiß nicht, ob ich das in mich hineinprojiziere, oder siehst du mich, in welcher Geisteshaltung ich zu dir komme.

Ich sehe, dass du wirklich mit dem Geist eines Schülers kommst. Du bist sehr aufnahmefähig. Aber ich glaube nicht, dass ich es bin, der dein Ego demoliert. Ich habe keinerlei Erinnerung, dass ich in der Richtung gehandelt habe, dass ich deine Täuschungen kritisiert habe, um etwas zu demolieren. Ich glaube, dass du in mir eine Dimension deines eigenen Geistes wahrnimmst, unseres Geistes - sowohl des deinen als auch des meinen -, die Buddha-Dimension. Und diese Wahrnehmung, dieser Buddha-Geist, den wir teilen, demoliert dein Ego.

Das macht mir Angst.

Das ist normal. Es ist normal, Angst zu haben, etwas zu verlieren, an dem man hängt. Aber wenn man zugleich realisiert, dass das, an dem man hängt, das Ego, die Ursache all unseres Leidens und in der Tiefe ein täuschendes Konstrukt ist, ist es kein wirklich großer Verlust. Der Verlust einer Täuschung ist kein Verlust, sondern eine Befreiung.

Ich möchte etwas klarstellen: Was man demolieren muss, ist die auf das Ego bezogene Täuschung, die Täuschung, dass das eigene Ego das Zentrum der Welt, das Allerwichtigste, ist und es unser Meister wird, unsere Handlungen und Reaktionen kommandiert und aus uns eine egozentristische Person macht, die unfähig zur Liebe ist, die stattdessen fähig zu Gewalt und negativen Reaktionen ist.

Es ist wichtig, das Ego in einem relativen Sinn, als ein Gefühl für eine persönliche Identität, nicht zu demolieren. Man muss einen gewissen Sinn für eine persönliche Identität haben, die relativ ist. Wenn man diesen Sinn nicht hat, wird man schizophren. Man hat keinen Bezugspunkt mehr, um mit anderen in Beziehung zu treten.

Wenn man vom Aufgeben des Egos spricht, geht es nicht um das Aufgeben eines persönlichen Identitätsgefühls, sondern darum, sich dessen bewusst zu werden, dass diese persönliche Identität nur ein nützliches geistiges Konstrukt ist, dem man den richtigen Platz zuweisen muss. Es darf uns nicht überschwemmen und völlig leiten. Anders gesagt, man muss es besänftigen, bescheidener machen, sodass es Platz lässt für etwas anderes, das größer ist, als es selbst. Manche nennen das Buddha, andere nennen es Gott.

Der religiöse Geist ist der Geist, der das Ego relativiert, es auf das bezieht, was unendlich viel größer ist als es selbst. Buddhisten nennen es Buddha-Natur oder Buddha-Geist. Die Christen nennen es Gott. Moslems nennen es Allah. - Im Zen ist Buddha in uns selbst. Diese Dimension jenseits des Egos ist die Dimension unserer wirklichen Existenz in Einheit mit dem ganzen Universum. Das ist nicht Buddha im Außen, über uns, sondern Buddha in uns.

Shakyamuni selbst hatte ein Ego, auch Meister Deshimaru. Er lebte nicht in geistiger Verwirrung. Er war in der Lage zu unterscheiden, Meinungen zu haben, Urteile, 'ich' zu sagen. Aber er hat das relativiert.

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Wenn ich richtig verstanden habe, ist grenzenlose Freiheit oder Befreiung nicht möglich, wenn man kein begrenztes Ego hat.

Das ist offensichtlich. Die Befreiung besteht darin, sich von seinem begrenzten Ego zu befreien.

Was gab es, bevor es Leid gab?

Ich weiß nicht, ob es etwas vor dem Leiden gab. Ich kenne diese Zeit nicht.

Was vorher existierte, kann man nicht fassen. Was wir machen können ist, das fallen zu lassen, was Trennungen schafft, Streitigkeiten, Gegensätze, das heißt, eine bestimmte Funktionsweise des Geistes, die nur im Dualismus, im Getrenntsein, im Gegensatz funktioniert. Diese Funktionsweise ist tief in uns verwurzelt, weil wir auf diese Weise funktionieren mussten, um unser Ego zu bilden.

Das muss man verstehen! Wenn wir es nicht geschafft hätten, ein getrenntes Ego aufzubauen, wären wir nicht mal ein Mensch geworden. Wenn wir nicht fähig gewesen wären, uns von unserer Mutter zu trennen, wenn wir uns nicht als Subjekt betrachtet hätten - ich bin ich, du bist du, - wären wir keine normalen Menschen geworden. Normal sein, heißt getrennt sein. Es ist notwendig für das Entstehen, für die Entwicklung des Menschen. Daher wurden große Anstrengungen unternommen - und die Erziehung hat uns dazu ermutigt -, ein Individuum zu werden. Das Problem ist, dass wir danach in dieser Dimension eingeschlossen blieben. Die Dimension des Individuums ist notwendig. Dies wird von niemandem kritisiert, nicht einmal Buddha hat dies kritisiert. Jeder hat seine Persönlichkeit, jeder ist ein Individuum und anders als die anderen. Das ist die geistige Gesundheit, die wir brauchen.

Aber es geht nicht, dass man sich nur mit dieser getrennten Individualität identifiziert und die andere Seite vergisst. Hier das Ego, da Buddha. Zwanzig oder dreißig Jahre lang haben wir daran gearbeitet, diese Seite gut zu entwickeln und zu pflegen. Dabei haben wir die andere Seite völlig vergessen. Daher sind wir aus dem Gleichgewicht, eingeschlossen in der Arbeit, die wir aufgebracht haben, um dieses Ego zu bilden. Dabei haben wir die andere Dimension völlig aus den Augen verloren.

Zazen ist dazu da, unser Leben wieder ins Gleichgewicht zu bringen, um uns von der Anhaftung, der ausschließlichen Identifikation mit diesem Teil, dem Teil des Egos zu befreien. Der vollständige Mensch ist zugleich Ego und Buddha, beides. Das bedeutet, nicht von seinem Ego abzuhängen, sondern fähig zu sein, mit ihm zu funktionieren. Aber das Ego darf uns nicht blenden und uns nicht daran hindern, die Dimension jenseits des Egos zu sehen. Man muss dem Ego wieder seinen Platz zuweisen, einen sehr relativen Platz. Das Ego ist ganz klar eine geistige Konstruktion, was nicht bedeutet, dass man es nicht benötigen würde. Aber es ist nur eine geistige Konstruktion! Wenn du das verstehst, stellst du es wieder an seinen Platz. Dann brauchst du dich nicht aufzuregen, wenn dich jemand kritisiert oder wirst nicht eifersüchtig, wenn du nicht die Liebe von jemand erhältst, der sie jemand anderem gibt. Diese Phänomene sind mit einer exzessiven Anhaftung an unser Ego verbunden, indem wir uns völlig mit unserem Ego identifizieren.

Wenn man versteht, dass dieses Ego nur Teil eines Ganzen ist, so wie eine Welle Teil des Ozeans ist, kann man eine große Befreiung empfinden. Wenn zum Beispiel jemand anderes etwas Glückliches erlebt und nicht ich, dann bin ich, anstatt eifersüchtig oder neidisch zu werden, genauso froh wie der andere, weil ich keinen Unterschied mache. Der gewöhnliche Geist kann das nicht, weil er nur eine Seite sieht. Zazen ist dazu da, um uns zu einem weiten Geist zu öffnen, der beides, Ego und Buddha umfasst. Buddha erscheint, wenn das Ego aufgegeben wird. Aber wenn es kein Ego gibt, gibt es keinen Buddha.

Ich glaube, dass unsere Gesellschaft nur so funktionieren kann, wie sie jetzt funktioniert, weil es dieses Ego gibt, das wir alle haben. Wenn wir dieses Ego so leben würden, wie du es gerade beschrieben hast, wäre es eine wirkliche Revolution. Was sagst du dazu? Was du sagst, ist nicht sehr gesellschaftskonform.

Das stimmt. Es ist nicht nur nicht gesellschaftskonform, sondern entspricht nicht dem normalen Menschen. Nicht nur jetzt, bereits zur Zeit Buddhas war es nicht konform. Als Buddha das Erwachen realisierte, dachte er, dass das, was er verwirklicht hatte, derart außergewöhnlich war, dass es nicht mal einen Versuch wert wäre, es die anderen zu lehren. Niemand würde es verstehen. Er begriff, dass sein Erwachen gegen den Strom ging und einen Gegensatz zu den menschlichen Wünschen darstellte. Er wusste nicht weiter. Was sollte er tun? Während er weiter meditierte, sagte ihm der indische Gott Indra: „Das darfst du nicht glauben. Es gibt Menschen, die bereit sind, deine Unterweisung zu empfangen. Bitte lehre das Dharma!“ Dafür hat er sich dann entschieden. Aber zuerst war er sehr skeptisch, aus dem gleichen Grund wie du.

Ich glaube, dass dieser Gesichtspunkt zu pessimistisch ist. Eher denke ich wie Indra: Überall auf der Welt gibt es Wesen, die, obwohl sie in der Illusion sind, nach etwas anderem streben, gerade weil sie unter ihren Illusionen leiden. Manchmal ist jemand erst dann bereit, den Geist zu ändern, wenn er sich am weitesten vom Erwachen entfernt befindet und sein Unwohlsein sehr groß ist. Weil es für ihn dann nicht mehr möglich ist, so weiterzumachen. Es kann vorkommen, dass es, gerade wenn die Gesellschaft in eine Krise, in eine Sackgasse gerät, zu einer spirituellen Revolution kommt. Ich denke, dass wir uns ein wenig in so einer Zeit befinden. Deswegen haben momentan Buddhismus und Zazen einen derartigen Erfolg. Wir sind in einer Sackgasse, in einer dem Buddhismus entgegen gesetzten Situation, daher leiden die Menschen moralisch sehr. Sie spüren gut, dass etwas nicht stimmt, empfinden ein tiefes Unbehagen. Man muss sicherlich die Sichtweise des Geistes ändern.

Ich glaube, dass man darin Vertrauen haben kann. Die Menschen machen Fehler, aber im Grunde streben alle nach der Wahrheit. Sie streben danach, in Harmonie mit der Wahrheit und der Wirklichkeit zu leben. Man muss auf jeden Fall in dem Vertrauen darauf handeln, sonst bleiben wir in uns eingeschlossen und machen Zazen alleine, gehen nicht auf Sesshins und nicht ins Dojo.

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Ich hab eine Frage zum Ego. Wenn ich es richtig verstehe, wird das Ego als ein Phänomen gesehen, das aus den fünf Skandhas erzeugt wird. Es gibt es auch ein Phänomen, das dem Ego Intelligenz gibt. Damit kann man gut arbeiten. Dann ist da doch nichts falsch an dem Ego.

Wenn man in einer negativen Weise über das Ego spricht, meint man eigentlich die Anhaftung an das Ego, die nicht sieht, dass das Ego ein wechselseitigabhängiges Ego ist. Wenn das Ego übersieht, dass es in Wechselbeziehung zu allem, was existiert, steht, wird es dazu neigen, auf egoistische Weise zu handeln und Leiden zu schaffen. Wenn das Ego ignoriert, dass es unbeständig ist, es sich also weigert, den Wechsel zu akzeptieren, den Verlust, die Umwandlung, dann wird es unablässig leiden, denn es akzeptiert nicht seine Wirklichkeit. In diesem Fall ist das Ego eine Ursache für eigenes Leid. Das heißt man klammert sich an etwas und täuscht sich über die Natur dessen, an das man sich klammert. Man ist also ständig in Widerspruch mit den Phänomenen und leidet unablässig.

Aber das bedeutet nicht, dass das Ego grundsächlich schlecht ist. Jeder muss eine Persönlichkeit haben, ein Selbstbewusstsein, das die Synthese unserer Geschichte, unserer Motivationen herstellt, um auf koordinierte Weise handeln zu können, die Sinn macht. Das Ego ist es auch, das nicht zu leiden wünscht und den Weg, das Erwachen, die Befreiung sucht.

Am Ursprung des Geistes des Erwachens ist nicht nur die Buddhanatur, sondern auch das Ego das seine eigene Illusion wahrnimmt und sich mit der Buddhanatur vereinigen möchte. Das Ego, das seine eigenen Täuschungen versteht, bringt uns auf den Weg, da es die Wahrnehmung seiner eigenen Täuschungen hat.

Buddha hat nie negiert, dass es ein relatives Ego gibt. Er hat ein substanzielles Ego in Form des Atman negiert, ein Ego mit einer festen, autonomen Substanz.

Das vierte der fünf Skandhas ist Samskara. Dessen Funktion ist es u.a., sich eine Idee über sich selbst zu machen. Wenn diese Konzeption sich der Leerheit bewusst ist, der Tatsache Rechnung trägt, dass die Phänomene existieren, aber leer sind, kann das Ego auf harmonische Weise funktionieren. Aber meistens funktioniert es nicht auf harmonische Weise, weil es sich Täuschungen hingibt, weil es die Idee, die es von sich selbst macht, für etwas Wirkliches und Substanzielles hält, das aus sich selbst heraus existiert. Also übersieht es das Wesentliche, dass es nur in Wechselbeziehungen zu anderen existiert.

Die einzig richtige Lebensweise ist, die Unbeständigkeit zu akzeptieren, also eine gewisse Loslösung bezüglich der eigenen Wünsche zu haben und vor allen Dingen solidarisch mit den anderen zu sein. Denn unser Leben ist nichts anderes als Beziehung. Dann handelt es sich um ein erwachtes Ego.



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