BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

Freier Wille

 

 

Gibt es aus buddhistischer Sicht etwas, was man mit ‚freiem Willen’ übersetzen kann?

Das ist eine heikle Frage, denn alles existiert in Wechselbeziehung. Wenn man also glauben würde, es gäbe eine Willensfreiheit außerhalb der Wechselbeziehung, ist das ein Irrtum. Denn das würde bedeuten, dass eine Person aus sich selbst heraus existieren würde, ohne sich in einem Einflussfeld zu befinden. So jemanden gibt es nicht. Zumindest nicht entsprechend dem, was wir sehen, und dem, dem wir begegnen können.

Aber dass wir in Wechselbeziehungen leben, bedeutet nicht, dass es keine Freiheit gibt. Bereits zu verstehen, in welcher Wechselbeziehung man steht, ermöglicht es, die Bedingungen zu verändern. Sich z.B. zu entscheiden Zazen zu machen, ändert die Wechselbeziehung.

Ich glaube, wir haben Freiheit unter der Bedingung, dass wir anerkennen, dass unsere Freiheit bedingt ist. Je mehr man praktiziert und je mehr man erwacht, umso mehr vertieft sich diese Freiheit, z.B. die gedanklichen Konditionierungen. Es können nach wie vor konditionierte Gedanken auftauchen. Aber die Gewohnheit, in Zazen die Funktionsweise des Geistes zu betrachten, und die Gewohnheit, in Zazen bewegungslos zu bleiben und die Gedanken, die normalerweise dazu führen würden, dass man in fast automatischer Weise in einer bestimmten Weise handeln würde, vorüber ziehen zu lassen, führen dazu, dass man beobachten kann, was geschieht. Man kann z.B. eine Emotion empfinden, ihr gegenüber aber Stellung beziehen: „Nein, ich lass das jetzt vorüber ziehen. Das ist nur mein Egoismus. Das ist nur mein Ego, das nicht zufrieden ist, das jetzt wütend werden will oder reagieren möchte.“ Also lässt man es vorüberziehen.

Diese Fähigkeit, zu sehen und vorüber ziehen zu lassen, entwickelt sich aus Zazen heraus. Zazen erweitert also unsere Handlungsspielräume.

Aber man muss sich natürlich auch fragen, was ‚Freiheit’ wirklich bedeutet. - Für die meisten Leute besteht Freiheit darin, ihren Wunschobjekten hinterher zu laufen, allgemein gesagt, in der Freiheit zu konsumieren. In unserem gegenwärtigen sozialen System besteht Freiheit darin, dahin zu gehen, wohin man gehen möchte, und das zu kaufen, was man möchte.

Aus buddhistischer Sicht ist das nicht wirkliche Freiheit, sondern bedeutet Sklave seiner Wünsche zu sein. Warum ist es Sklaverei? Weil man nicht die wirkliche Natur seiner Existenz verwirklicht hat, weil man nicht erwacht ist. Deshalb ist man frustriert und hat den Eindruck, dass etwas fehlt. Aber man weiß nicht, was fehlt, und ist unzufrieden. Also sucht man etwas, was diesen Mangel ausgleichen und einen befriedigen wird. Dann ist man natürlich überhaupt nicht frei, sondern Sklave seiner Verblendung, seines Nicht-Erwachens und stürzt in alle möglichen Abhängigkeiten. Manche werden sogar süchtig.

Aber wenn man sich darüber klar wird, dass das nicht geht, und die Richtung ändert, begibt man sich selbst in andere Konditionen. Z.B. auf ein Sesshin zu gehen, bedeutet, sich in andere Bedingungen zu begeben, als wenn man seine Wünsche im Alltag fortsetzen würde. Da manifestiert sich unsere wirkliche Freiheit.

Ich glaube, dass wirkliche Freiheit darin besteht, sich mit der tatsächlichen Natur unserer Existenz harmonisieren zu können. Dann wird man wirklich frei. Denn dann wird man das, was wir in der Tiefe selbst sind: wirkliche Freiheit. Anders gesagt: Erwachen ist wirkliche Freiheit. Aber sie kann sich nicht ohne Praxis realisieren. Die Praxis ist also Voraussetzung für die Freiheit. - Das ist eine relative Freiheit. Sie ist darauf bezogen, dass man praktiziert.

Ich war sehr überrascht, als ich im Fernsehen einen Beitrag sah, der darlegte, dass der freie Wille eine Illusion ist. Wenn ich mich dazu entscheide, die Hand zu heben, gibt es Bereiche im Gehirn, die man messen kann, die die Entscheidung gefällt haben, die Hand zu heben, noch bevor die Entscheidung bewusst wird.

Das genau ist das Gefährliche. Auf diese Art und Weise kommen Leute dazu, Verbrechen zu begehen. Anschließend bedauern sie es. Deshalb müssen wir den Bereich unserer Bewusstheit ausdehnen, d.h. in der Lage sein, sofort den Beginn der Bedingung zu sehen, die eine Aktion auslösen wird. Anders gesagt, das ins Bewusstsein holen, was bei uns normalerweise unbewusst abläuft. Die grundlegende Praxis Buddhas ist die Praxis der Achtsamkeit und da geht es genau darum. Das ergänzt das, was ich gesagt habe.

Was du in der Fernsehsendung gesehen hast, ist das, was geschieht, wenn man wenig bewusst ist. Je klarsichtiger und erwachter ein Mensch wird, umso mehr, kann er diese Phänomene kontrollieren und umso freier wird er. Die Freiheit besteht darin, handeln oder nicht handeln zu können. Wenn man nicht Nicht-Handeln kann, ist man nicht frei.

Zazen bedeutet das Nicht-Handeln zu erlernen: Egal, was passiert: nicht bewegen. Nicht-Handeln ist die Freiheit. Selbst wenn große Wut auftaucht, wenn große Ungeduld auftaucht, wenn man Lust hat aufzustehen und vielleicht dem Godo eine über den Schädel ziehen möchte, weil er die Uhrzeit vergessen hat und zu lange sitzt. Man betrachtet das alles, aber man lässt es vorüber ziehen Das ist Freiheit. Das verhindert schwerwiegende Handlungen im Alltag.

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Was ist der freie Wille?

Der freie Wille so ist zu verstehen, dass unsere Freiheit immer im Rahmen von Wechselbeziehungen zu sehen ist. Man kann nicht einfach alles machen, wozu und wie man gerade Lust hat. Das ist nicht wahre menschliche Freiheit. Ich meine, dass wahre Freiheit darin besteht, in Harmonie mit der wahren Natur unserer Existenz zu leben.

Der Begriff des freien Willens ist ein sehr von der christlichen Philosophie geprägter Ausdruck: Wenn man vom freien Willen spricht, denkt man, dass die Welt von Gott geschaffen wurde und unser Leben durch seinen Willen vorherbestimmt wird. Wenn Gott allmächtig ist und alles lenkt, welche Freiheit bleibt uns dann?

Vom buddhistischen Standpunkt aus stellt sich die Frage über die Freiheit ein wenig anders, weil man nicht an einen höheren Willen glaubt, der die Welt oder die Wesen leitet. Aber man beobachtet Gesetze, Kausalitätsgesetze, die Gesetze der wechselseitigen Abhängigkeit. Alles, was wir tun, hat Auswirkungen. Wie wir jetzt leben ist zum großen Teil Resultat vergangener Taten. Das heißt, unsere Freiheit ist begrenzt. Wir können nicht alles tun.

Wir sind frei in einer Situation zu handeln, in der es Bedingtheiten gibt. Diese Bedingtheiten muss man berücksichtigen und auch, dass unsere Handlungen unbedingt Folgen haben werden. Je klarer man diesbezüglich sieht, desto mehr sieht man die Einflüsse seines Karmas, seiner aktuellen Bonnos, der Gesellschaft.

In der Zazen-Praxis kann man sich all dessen bewusst werden und lernen, diesen Einflüssen nicht automatisch zu folgen: In Zazen tauchen alle möglichen Gedanken, Wünsche, Gefühle auf, aber man folgt ihnen nicht, man lässt sie vorbei ziehen. Das ist eine große Befreiung von Konditionierungen.

Während Zazen ist man nicht Herr der Gedanken, die auftauchen. Die Gedanken kommen einfach. 'Mein Wunsch' - das ist eine Illusion. Man kann das Erscheinen der Phänomene nicht kontrollieren. Die inneren Phänomene kommen wie die Phänomene der äußeren Welt. Aber wie reagiert man ihnen gegenüber? - Entweder man reagiert automatisch, oder man reagiert auf egoistische Weise. In diesen Handlungsweisen gibt es sehr wenig Freiheit.

Die Alternative besteht darin, dass man beobachtet, was vor sich geht, und statt einfach zu reagieren, entscheidet man sich: Was ist die beste Art zu handeln? In diese Entscheidung bezieht man die kosmische Ordnung ein und betrachtet die Konsequenzen. In diesem Moment besteht unsere Freiheit darin, in Harmonie mit der kosmischen Ordnung zu reagieren.

Man hat also keine Wahl?

Doch, man hat eine Wahl! Man kann seinen persönlichen Interessen folgen und ganz egoistisch handeln, oder man kann die allgemeine Situation berücksichtigen, in der wir leben und die Entscheidung treffen, die dem Allgemeinwohl Vorrang gibt. Das sind zwei ganz unterschiedliche Richtungen.



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