BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

LEERHEIT

 

Du hast in der Vorbereitungszeit gesagt, man könne bei einer Blume nicht von Leerheit sprechen. Für mich ist Leerheit leer von etwas, Abwesenheit von Substanz. Ich bin etwas verwirrt, weil es doch nichts gibt, das feste Substanz hat. Warum hat eine Blume Substanz?

Nein, die Wesen und alle Daseinsformen sind letztlich jenseits von Begriffen wie ‚Substanz‘ oder ‚Leerheit‘. Selbst der Begriff ‚Leerheit‘ ist eine Erfindung des Menschen, um der Illusion einer Substanz entgegenzutreten. Deshalb haben die Buddhisten und insbesondere Buddha Nachdruck auf die Leerheit gelegt. Aber genauso wie die Vorstellung von etwas Dauerhaftem oder einem Wesen, das dauernd weiterlebt, ist der Begriff ‚Substanz‘ ein geistiges Konstrukt, das es nicht gibt, das man noch nie gesehen hat. Deswegen sagen wir: Es ist Leerheit. Aber auch die Leerheit ist ein Konzept, die Antwort auf den Begriff ‚Substanz‘. Im wirklichen Leben sind ein Baum, ein Tier, du, ich, ein Wesen, das hier und jetzt existiert, jenseits jeden Begriffs. Der menschliche Geist versucht, all dies zu beschreiben und in Kategorien einzuordnen. Aber dein Wesen hier und jetzt kann nicht in dauerhaft oder nicht dauerhaft, in Substanz oder Leerheit eingeschlossen werden, es geht darüber hinaus. Das wollte ich damit sagen. Und ich denke, das ist die Bedeutung der Geste Shakyamunis, als er die Blume drehte. Man kann stundenlang über die Unbeständigkeit, die wechselseitige Abhängigkeit, die Nichtsubstanz reden, aber letztlich gibt es etwas, das über all das hinausgeht: die einfache Gegenwart der Existenz hier und jetzt, die jenseits von all unserer geistigen Kategorien ist.

Das ist das Wertvollste, was wir in Zazen erfahren können: Es geht über unsere geistigen Kategorien hinaus. Deshalb rät man in Zazen, sich einfach hinzusetzen, um für diese Gegenwart verfügbar zu sein, jenseits von allen Gedanken. Man nennt dies Hishiryo, das Hishiryo-Bewusstsein von Zazen. Hi bedeutet darüber hinaus und shiryo ist das Denken, das kategorisiert, misst, vergleicht, unterscheidet, das zum Beispiel zwischen Substanz und Leerheit unterscheidet, zwischen Leben und Tod, ich und die anderen, und so weiter.

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Wie ich es verstanden habe, ist alles von Leerheit gekennzeichnet, auch der Kosmos und alles, was in ihm vorkommt. Es muss aber etwas gegeben haben, was den Kosmos aus der Leerheit heraus geschaffen hat: Zuerst war die Leerheit und dann war der Kosmos. Ich möchte gern wissen, was vor der Leerheit war.

Niemand weiß das. Auf jedem Fall weiß man, dass die Leerheit nicht leer war. Sie war Energie. In der Quantenphysik, spricht man von Leerheit und das ist Energie. In Europa gibt es immer Verwirrung. Bei ‚Leerheit’, ‚Leere’ denkt man immer an das Nichts. Aber das ist nicht der buddhis-tische Sinn des Leeren: Buddha sprach von der Leerheit unserer Täuschungen.

Die Leerheit ist einfach ein Heilmittel gegen unsere Täuschungen. Wir glauben ein Ego zu haben, das eine Substanz hat, das immer andauert. Das ist eine Täuschung. Das ist nur ein geistiges Erzeugnis. Es existiert, aber in völliger Abhängigkeit vom Rest, und ist unbeständig. Also sagt man: „Das Ego ist leer.“ Aber es ist leer von etwas, das niemals außerhalb unserer Vorstellungen existiert hat. Es ist unsere Vorstellung eines substanziellen Egos, die leer ist. Ein substanzielles Ego existiert nicht. Von der Substanz des Egos zu sprechen, sind leere Worte, nur geistige Erzeugnisse, Begriffe, denen nichts entspricht.

Das bedeutet nicht, dass der Mensch keine Persönlichkeit hat, kein Ego. Jeder hat ein Ego, aber nicht so, wie man es sich vorstellt. Das ist nur ein geistiges Erzeugnis, eine Identität, die man nach und nach aufbaut, die sich unablässig verändert, die man den anderen gegenüber bestätigen möchte, an die man sich klammert, die jede Menge Konflikte und Spannungen erzeugt. Die Unterweisung Buddhas hilft uns, uns davon zu lösen, indem sie ihm den richtigen Platz zuweist, einen völlig relativen Platz.

Was deine Frage in Bezug auf den Kosmos angeht, so kann man nur sagen, dass der Kosmos aus buddhistischer Sicht in unablässiger Veränderung begriffen ist. Man kann den Ursprung des Kosmos nicht denken. Wenn man sagt, dass etwas am Ursprung war, Gott oder die Energie, kann man fragen: „Wer hat Gott geschaffen? Wer hat die Energie geschaffen?“ Es gibt keinen wahr-nehmbaren Anfang, weil alles, was existiert, von etwas verursacht ist. Man stellt fest, dass alles aufgrund von Ursachen und Wirkungen existiert. Das ist die grundlegende Unterweisung Buddhas.

Leerheit nennt man die Tatsache, dass das Leben von einer Vielzahl von Phänomen verursacht ist. Aber wovon ist es leer? - Von etwas Absolutem, das unabhängig von jeder Ursache ist. Das heißt aber nicht, dass es nicht existiert. Das Leben existiert, aber verursacht von etwas, also nicht aus sich selbst heraus, unabhängig. Und wenn die Ursachen und die Bedingungen sich ändern, wenn sie das Leben nicht mehr erlauben, verschwindet das leben. Das ist alles.

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Du hast gesagt, daß die Gedanken aus der Leere kommen. Aber wenn die Leere Leere ist, wie können dann Gedanken aus ihr kommen?

Weil die Leerheit nicht Leerheit ist. Die Leerheit ist nicht das Nichts. Leerheit bedeutet wechselseitige Abhängigkeit. D.h., daß unsere Gedanken uns nicht gehören. Sie sind Resultate verschiedener Einflüsse, und deshalb ändern sie sich auch ständig. Genau so wie alles, das uns ausmacht, nicht uns gehört. Unsere ganze Existenz ist nichts anderes als Beziehung zum Universum. Wenn man von Leerheit spricht, dann spricht man von der Abwesenheit von Substanz.

Wenn man das realisiert, gibt man den Gedanken, die auftauchen, wesentlich weniger Bedeutung. Man identifiziert sich nicht mit ihnen. Man läßt sie vorüberziehen. Dann verschwinden sie. Man kann sagen, sie kehren dahin zurück, wo sie hergekommen sind. Sie sind aus dem Kosmos erschienen, aus unserer Abhängigkeitsbeziehung zum Kosmos. Aber im ganzen Kosmos verschwindet nichts und taucht nichts auf, sondern alle Dinge ziehen nur vorüber. So wie eine Welle: Sie formt sich auf dem Meer, weil es einen Windstoß gab oder weil in der Ferne ein Schiff vorbeifuhr. Die Welle breitet sich aus und kommt am Ufer an, und dann geht sie zurück. Genau so ist es mit den Gedanken. Wo ist die Welle hergekommen und wo ist die Welle hingegangen? Natürlich hat sie eine Existenz, wir haben ihre Form gesehen. - Wenn du surfst, kannst du sogar auf der Welle reiten. - Die Welle ist etwas, die Welle ist keine Leerheit, aber diese Form hat sich entwickelt. Dann ist sie wieder zu ihrem Ursprung, zu ihrer Ganzheit, zum Ozean zurückgegangen. Das ist nicht nichts.

In einem Augenblick erscheint aus der Totalität heraus ein Phänomen, eine Form, und dann kehrt es zurück. Beim Zazen braucht man sich nicht Gedanken zu machen, woher der Gedanke kommt. Wenn ich z.B. sage ‘Laßt eure Gedanken zu ihrem Ursprung zurückkehren’, geht es einzig und allein darum, daß ihr sie nicht hin und her wälzt. Denn wenn du anfängst, über den Ursprung deiner Gedanken nachzudenken, wenn du die Bilder zu ernst nimmst und anfängst, die Metaphern auseinanderzunehmen, wirst du kompliziert. Das ist nicht nötig.

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Du hast gesagt, dass einem die Buddhas nicht mehr helfen können, wenn man sich an der Leerheit festhält. Wie kann man sich an der Leerheit festhalten?

Das heißt, wenn man sich an eine bestimmte Vorstellung, an ein bestimmtes Konzept von Leerheit klammert. Wirkliche Leerheit ist etwas, an das man sich nicht klammern kann. Aber sobald man sich eine Idee von Leerheit macht, läuft man Gefahr, sich an ein Konzept zu klammern, indem man aus der Leerheit ein Konzept macht. Das gleiche gilt für alle Aussagen. Das ist das gleiche, was ich eben Kusen gesagt habe. Wenn man etwas bekräftigt, etwas aussagt, dann existiert auch etwas, das man nicht bekräftigen kann. Sich an die Leerheit zu klammern, bedeutet zu sagen: „Alles ist Leerheit“ - und nur die Seite der Leerheit zu sehen. Aber in Wirklichkeit gibt es keine Leerheit ohne Erscheinungsformen. Leerheit alleine existiert nicht. Man kann also nicht allein die Leerheit bekräftigen.


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