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WERTE

 

Wie kann das dazu beitragen, eine positive Ethik zu entwickeln? Das hat der Buddhismus m.E. in den meisten Ländern nicht geschafft. Man urteilt nicht, man haftet nicht an, aber woher nimmt man seine positiven Werte?

Die positiven Werte erscheinen in der buddhistischen Praxis, in der Zen-Praxis. Die Leute sehen im Buddhismus oft zu sehr die Dimension des Nicht-Ichs, der Leerheit. Aber der andere Aspekt derselben Wirklichkeit ist unsere völlige Einheit, unsere völlige Solidarität mit allen Wesen. Das Nicht-Ego ist es, das eine positive Einstellung des Mitgefühls erlaubt. Und Mitgefühl war eine Tugend, die im Buddhismus kultiviert, gepredigt und praktiziert wurde - wie Liebe im Christentum. Es ist wahr, daß es nicht gereicht hat, das Gesicht der Welt zu verändern, aber das ist kein Anlaß dafür, die Hoffnung aufzugeben.

Meiner Meinung nach gibt es nichts Besseres zu tun, als selbst diese positiven Werte zu entwickeln. Auch dann wenn die Verwirklichung nicht immer erfolgreich ist. Ich glaube, man muß über die Ursachen nachdenken und vor allen Dingen, sich selbst betrachten. Nicht nur die anderen, die Geschichte der anderen Länder betrachten und fragen, was da abgelaufen ist, sondern: Was geschieht in mir?

Aber wenn man im Leben konkrete Entscheidungen treffen muss?

Zum Beispiel?

Wenn ich in Bonn aus dem Bahnhof gehe, wird mich ein Drogenabhängiger ansprechen und um Geld bitten. Wonach entscheidet man sich dann?

Man trifft seine Entscheidung danach, was am besten dazu beiträgt, das Leiden zu erleichtern, und was am wenigsten das Leben bedroht.

Z.B. ist es besser, statt einem Drogensüchtigen Geld zu geben, einen anderen Kontakt mit ihm herzustellen, z.B. ihm vorzuschlagen mit ihm essen zu gehen oder einen Kaffee zu trinken.

Oft liegt hinter der Haltung von Süchtigen ein sehr starkes spirituelles Verlangen. Es sind Leute, die dem Leiden sofort ein Ende setzen wollen, sie wollen das Nirvana sofort, aber ohne Anstrengung. Und deshalb schaffen sie noch mehr Leiden. Sie irren sich also völlig in der Richtung, doch in der Tiefe haben sie die Hoffnung, dem Leiden ein Ende zu setzen. Aber sie haben sich im Mittel geirrt. Also muß man sich bemühen, die geeigneten Mittel zu finden, um sie auf einen richtigen Weg zu bringen. Nicht sie einfach loswerden, indem man ihnen Geld gibt oder achtlos weitergeht, sondern einen anderen Weg wählen.

Wenn ich umfassender auf deine Frage nach den Werten antworten wollte, müßte ich einen ganzen Vortrag halten. Ich spreche in Vorträgen oft über die Gebote. Man sagt oft: „Die Gebote sind überflüssig.“ Sie sind dann überflüssig, wenn man wirklich seine Buddha-Natur verwirklicht hat, d.h. wenn man wirklich völlig vom Zazen-Geist belebt ist. Aber solange das nicht der Fall ist, sind die Gebote sehr wichtig.

Wenn man die Gebote betrachtet, so handelt es sich dabei um sehr positive Werte. Sie sind der positive Ausdruck der Buddha-Natur, z.B. bedeutet "nicht töten" nicht nur keinen Menschen zu töten, sondern das Leben zu schützen und es dem Leben zu ermöglichen, sich völlig zu entfalten, sowohl dem eigenen Leben wie dem Leben der anderen, unsere wirkliche Dimension zu verwirklichen, nicht halb zu leben, sondern ein erwachtes Leben zu führen, also unserer wirklichen, tiefen Natur zu erlauben, sich zu entwickeln und zu entfalten. - Das ist nicht töten. Das ist also nicht nur ein Verbot, sondern ein ganz und gar positiver Wert.

Für „nicht stehlen“ gilt das gleiche: Das ist nicht nur ein Strafrechtsartikel: Da uns nichts wirklich gehört, bedeutet es teilen zu praktizieren.

Ich kann stundenlang darüber sprechen, aber wichtiger ist, selbst nachzudenken, ausgehend von Zazen selbst den Wert des eigenen Lebens zu finden. - Man sagt oft ‘unbewußt, natürlich, automatisch’. Aber unbewußt, natürlich, automatisch wiederholt sich nur das alte Karma. Es ist also sehr wichtig, Wachsamkeit und Beobachtung zu praktizieren. Jeden Tag sehr wachsam, sehr aufgeweckt sein. Jeden Tag das erhellen, was passiert. Die Augen dafür öffnen, was in uns passiert, was um uns herum passiert und was zwischen beidem passiert. Das mit klarem Geist erhellen. Ich glaube, Zazen hilft uns dabei. Es reicht nicht zu sagen: „Ah, ich mache Zazen, also gibt es keine Probleme, alles geht gut.“ Das ist magisches Denken, ein bißchen kindlich.

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