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Die Paramita

 

Als ich heute morgen an das Thema der sechs Paramita dachte, habe ich mir gesagt, dass Leute, die wie ihr Zazen praktizieren, bereits sehr oft von ihnen gehört haben und dass die Tatsache, dass ich erneut davon spreche, euch wenig bringen würde. Dennoch sind die Paramita, selbst wenn man sie auswendig kennt, selbst wenn man sie oft studiert hat, sehr schwer zu praktizieren. Das lässt mich an Hakurakuten denken, einen Laien, der Meister Dori fragte, was die Essenz des Buddha-Dharma sei. Der Meister antwortete: „Einfach vermeiden, Schlechtes zu tun, und das Gute praktizieren.“ Der Laie sagte: „Aber das ist kindlich, selbst ein Vierjähriger weiß das.“ Dori antwortete: „Klar, aber selbst einem Achtzigjährigen fällt es schwer, das zu praktizieren.“

Für die Paramita – die Praxis der Gabe, der Gebote, der Geduld, der Bemühung, der Meditation und der Weisheit – gilt das gleiche. Wenn wir den Geist Buddhas nicht verraten wollen, der sich realisiert, wenn wir wirklich in Zazen sind – mit einem Geist, der keine Erwartungen mehr hegt und sich völlig in der Praxis von Zazen vergisst –, wenn wir nicht wollen, dass dies eine flüchtige Erfahrung bleibt, sondern wollen, dass unser ganzes Leben Ausdruck davon wird, dann ist es erforderlich, die Paramita zu praktizieren. Das ermöglicht es, aus unserem ganzen Leben die Praxis des Zen zu machen, d.h. ein wirklich erwachtes Leben, in Einklang mit dem, was wir in der Tiefe sind, mit dem wirklichen religiösen Geist, von dem Jean-Pierre Faure gesprochen hat.

Einige Meister haben ein bestimmtes Paramita für wichtiger gehalten als andere. Für Eno, den 6. Patriarchen, war Prajna Paramita, die Praxis der Weisheit, die es ermöglicht, die Leerheit all unserer geistigen Konstrukte zu sehen und darüber hinaus zu gehen, die Grundlage aller anderen Praktiken im Dojo und im Alltag. Ohne diese intuitive Weisheit, die es uns ermöglicht, die Leerheit zu sehen und den Geist des Anhaftens abzuschneiden, können alle anderen Praktiken leicht zu Täuschungen werden.

Meister Hyakujo dagegen, der dritte Nachfolger von Eno, war der Auffassung, dass das Fuse, die Gabe, das wesentlichste Paramita ist, um den Zen-Weg zu durchdringen. Er sagte: „In der Praxis der Gabe sind alle anderen Praktiken vollendet, denn geben bedeutet loszulassen, sich vom Dualismus aller Gegensätze zu befreien: von gut und schlecht, von sich selbst und den anderen, von der Leerheit und den Erscheinungsformen.“ All dies ist in der Praxis des Fuse, der Gabe, aufgegeben, unter der Bedingung, dass sie im Geist von Mushotoku geschieht, d.h. ohne eine Gegenleistung oder irgendeinen Verdienst zu erwarten.

Menzan schließlich, der das Jijuyuzanmai geschrieben hat, betrachtete Zazen selbst als die wesentlichste Praxis, da alle anderen Praktiken Zazen entspringen, wie Äste und Blätter von der Baumwurzel abstammen. Im Soto-Zen besteht die Tendenz, nur Zazen als wesentlich anzusehen. Alles andere muss sich aus ihm heraus „unbewusst, natürlich und automatisch“ entwickeln, wie man oft sagt.

Mir scheint es so zu sein, dass die Praxis der sechs Paramita letztlich etwas Zusammengehöriges ist, das man nicht trennen kann. Es ist nicht erforderlich, einen Dualismus zu schaffen, indem man sich sagt: „Nur dieses Paramita ist wichtig, die anderen sind es nicht.“
Wir werden die Paramita jetzt näher betrachten und sehen, wie uns die Tatsache, sich der Praxis der Paramita im Dojo zu erinnern, helfen kann, eine Verbindung zwischen Zazen und dem Alltag herzustellen und so unsere Praxis kohärent und vollständig zu machen. Ich werde also ein Paramita nach dem anderen untersuchen und schauen, wie es in unserem Leben funktionieren kann.

Die Gabe ist eine sehr wichtige Praxis im Dojo. Wenn man nicht möchte, dass das Zen zu einer Technik des Wohlbefindens wird, wie man es genannt hat, ist es sehr wichtig, dass die Praktizierenden, die in ein Dojo kommen, dies nicht tun, um von dort etwas mitzunehmen. Das ist natürlich paradox, denn warum kommt man anfangs in ein Dojo, wenn man nicht davon motiviert ist, dass man Unterweisungen über Zen gehört hat und denkt, dass es gut ist, dass man diesem Weg folgen und praktizieren soll. Meister Deshimaru unterwies Mushotoku: „Ihr dürft nichts suchen, ihr dürft nicht ins Dojo kommen, um etwas mitzunehmen, nicht einmal die Verdienste von Zazen.“ Zugleich lehrte er unablässig die Verdienste von Zazen. Ich finde, dass heute, nach ihm, eine gewisse Scham vorhanden ist, die Verdienste von Zazen zu benennen, so als wäre es Häresie zu sagen, dass Zazen gut ist, dass es gute Wirkungen im Leben hervorruft. Ich meine, dass man die beiden Dimensionen nicht trennen soll: Es gibt die relative Dimension, in der Zazen Verdienste und Wirkungen erzeugt. Aber diese Wirkungen entstehen nur wirklich, wenn wir unsere Gier aufgeben. Denn das Hauptverdienst von Zazen ist es, uns von diesem Geist zu befreien, der immer etwas erhalten möchte.

Das ist natürlich nicht einfach. In einem Dojo sind z.B. viele Leute oft sehr aufopferungsbereit und wollen helfen. Das ist eine Form der Praxis des Fuse. Man ermutigt die Leute, Samu zu machen, ihre Mitgliedsbeiträge zu bezahlen, dem Dojo Zeit zu geben, auf alle möglichen Arten zu helfen. Aber diejenigen, die auf diese Weise geben, bemerken sehr oft nach einiger Zeit, dass sie in Wirklichkeit Anerkennung erwarten, für das gemocht werden wollen, was sie tun. Wenn sie diese Anerkennung oder eine Art von Beförderung, eine höhere Verantwortung im Dojo nicht erhalten, fühlen sie sich nicht anerkannt. Nicht zu sprechen von denen, die, wenn sie ihrer Aufgabe nachkommen, statt eines Lobs kritisiert werden, z.B.: „Das war nicht so gut, das könnte besser sein.“ Manchmal sieht man in den Dojos Leute, die wegen so etwas völlig zusammenbrechen. Das bedeutet wirklich, dass der Geist des Fuse nicht realisiert ist, d.h. dass es nicht wirklich ein erwartungsloses Geben ist. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Unterweisenden, der Verantwortlichen, diesen Geist immer wieder in Erinnerung zu rufen. Meister Deshimaru fand z.B., wenn wir glaubten, gut geworden zu sein, etwas verstanden zu haben, das Mittel, um uns in Frage zu stellen. Seine Belehrung, die er oft auf die Kyosakus kalligrafierte, war „maku mozo“: „Täuscht euch nicht über eure Praxis.“

Ein anderer Aspekt der Gabe ist das Teilen. Letztlich gibt man, um zu teilen. Wenn wir praktizieren, erlangen wir die Verdienste von Zazen, wir verwirklichen eine tiefe Erfahrung in unserem Leben, die uns motiviert weiterzumachen. Das kann man nicht für sich behalten. Der Geist des Gebens im Dojo besteht also darin, diese tiefe Erfahrung der Praxis von Zazen mit den anderen zu teilen. Das beseelt die Bodhisattvas. Und wenn das erste Gelübde darin besteht, all seine Hilfe allen Wesen zu geben, um ihnen zu helfen, sich zu befreien, so ist dies die Praxis des Gebens. Zugleich muss man aber realisieren, das man letztlich nichts geben kann. Unser eigenes Ego kann nicht helfen. Es ist offensichtlich ein Irrtum, sich zu sagen: „Ich praktiziere das Fuse, ich mache Samu, ich gebe all meine Energie, ich helfe den Menschen, ich erziehe sie.“

Meister Eno sagte: „Nicht ich rette irgend jemanden. Ich kann nicht und niemanden retten. Die Wesen können nur durch ihre eigene Natur gerettet werden.“

Weil sie schon immer Buddha-Natur sind, können die Wesen gerettet, befreit werden, indem sie diese Dimension berühren, die schon immer in jedem von uns existiert. Die Gabe, die wir geben können, besteht also darin, uns die Möglichkeit zu geben, das zu realisieren, und den anderen ebenfalls die Möglichkeit dazu zu bieten. Aber das bin nicht ich. Darin steht die Dimension des Fuse wirklich im Herzen unserer Praxis. Durch das Loslassen kann man hoffen aufzuhören, das zu verraten, was wir in der Tiefe sind, und uns selbst, der wahren Dimension unseres Lebens, wirklich treu zu werden.

Die zweite Praxis der Paramita sind die Gebote, die während der Bodhisattva-Ordination weitergegeben werden. Man kann sie als einen Führer für unser Leben ansehen, als ein Licht, das unser Verhalten im Alltag erhellt, als eine Art, in Einklang mit unserer Buddha-Natur zu leben, also als etwas, dem zu folgen, das zu respektieren und dessen zu erinnern man sich bemüht. Aber offenkundig besteht die wahre Dimension der Gebote nicht darin, sich zu zwingen, Regeln und Geboten zu befolgen. Es geht darum, auf eine Weise zu leben, dass die Gebote nicht mehr nötig sind, indem man einen Bewusstseinszustand realisiert, in dem es nicht mehr möglich ist, zu töten, zu stehlen, zu lügen, usw.. Das Ideal unserer Praxis ist es, dass die Gebote überflüssig werden. Aber weil wir weit entfernt von dieser Realisation sind, begleiten uns die Gebote während unserer Praxis.

Und jedes Gebot selbst ist eine Praxis der Erwachens. Z.B. bedeutet das Gebot „Nicht töten“ selbstverständlich kein Leben zu nehmen. Aber auf einer tieferen Ebene geht es darum, in sich selbst nicht die authentische Dimension unserer Existenz zu vernichten, d.h. nicht die Buddha-Dimension in uns zu töten. Wie können wir handeln, damit unsere Praxis diese Dimension nicht verliert, unsere Praxis, die darin besteht, dem Buddha-Geist, der in jedem von uns ist, Leben zu geben? Das geht weit über uns hinaus, denn in unserer modernen Welt, die völlig vom Materialismus beherrscht wird, sind die Religionen in ihren Praktiken und von den Institutionen, die sie instrumentalisiert haben, derart verraten worden, dass man sagen kann, dass der religiöse Geist getötet worden ist. Nietzsche hat gesagt: „Gott ist tot.“ Offenkundig ist Gott nicht gestorben, aber Gott oder Buddha beseelen nicht mehr das Leben der meisten von uns. Damit ist eine wichtige Dimension unseres Lebens getötet worden. Das Gebot „Nicht töten“, bedeutet, dem wieder Leben zu geben, was die Grundlage des Lebens aller Wesen ist.

Natürlich bedeutet „Nicht stehlen“ nichts zu nehmen, was uns nicht gehört. Das ist ein Verbot, das im Strafgesetzbuch steht. Aber „Nicht stehlen“ ist das größte Koan, denn was kann mir wirklich gehören? Wenn man realisiert, dass nichts uns gehört, nicht einmal unser Körper, der wieder zu Staub wird, dann bedeutet es zu erwachen, wenn man tief das Gebot „Nicht stehlen“ realisiert. Aber selbst wenn man das versteht, so wie ich es darstelle und ihr es jetzt hört, so hindert euch das doch nicht daran, dass, wenn ihr hier rausgeht und ihr euren Geldbeutel verliert, ihr genauso fuchsteufelswild werden würdet wie ich auch. Die Paramita sind nicht nur da, um über diese tiefe Dimension zu meditieren, sondern sie müssen fortwährend in unser Leben eingeführt werden, indem wir in jedem Augenblick das betrachten, was in unserem Geist geschieht.

Sinn unserer Praxis ist, dass das aus der Quelle fließt und dass man daran nicht mehr zu denken braucht. Aber solange das nicht der Fall ist, muss man sich ab und zu die Gebote ins Gedächtnis rufen, um nicht zu lügen, was das 3. Gebot ist.

Es gibt zwei Arten zu lügen: zum einen, falsche Geschichten zu erzählen. Aber schwerwiegender in unserer Praxis ist, uns selbst zu belügen. Auch dabei existieren zwei Arten: zu glauben, dass man etwas realisiert hat, was man nicht realisiert hat, und sich für etwas zu halten, was man nicht ist. Der erste Lügner ist also das Ego, denn es hält sich wirklich für etwas, das es nicht ist und das ist eine enorme Lüge. Wie viele Lügen werden nicht im Laufe eines Tages ausgesprochen, um es zu nähren und zu stärken? Aber die noch größere Lüge ist es, nicht zu sehen, was wir in der Tiefe sind. Unsere tiefe Natur nicht anerkennen, sich mit ihr nicht harmonisieren und sie so zu verraten. Das bedeutet, den Buddha-Geist, der in uns ist, nicht auszudrücken und einzig unsere Täuschungen zu Wort kommen zu lassen. „Nicht lügen“ bedeutet also, authentisch zu werden, wirklich durchsichtig zu werden für das, was wir in Wirklichkeit sind.

Was das betrifft, was man „schlechte Sexualität“ nennt, so ist dies ein großes Problem, sogar in den Dojos und man könnte das vielleicht in den Arbeitsgruppen ansprechen. Denn die sexuelle Energie ist bei allen Wesen die stärkste Antriebsenergie. Sie ist eine Energie, die Leben trägt und daher wichtig ist. Es geht darum, diese Energie kanalisieren zu können, auf eine Weise, dass sie wirklich Quelle des Lebens und authentischer Liebe und nicht Ursache von Leiden wird. Wie ihr wisst, wird Sexualität eine Leidensquelle, wenn man die andere oder den anderen als ein Objekt behandelt, als ein Objekt der eigenen Befriedigung, als Besitz, und man vergisst den anderen als denjenigen zu lieben, der er ist. Bezüglich dieses Gebotes muss man sich immer wieder fragen: „Was bedeutet es zu lieben?“ Das ist das Koan der Liebe. In der Tiefe bedeutet „schlechte Sexualität“ Liebe zu machen ohne zu lieben. Umgekehrt, in einem positiven Sinn, kann die Praxis der Liebe auch Praxis der Erwachens werden: als Gabe für den anderen, Aufmerksamkeit für den anderen, Selbstvergessen für den anderen, usw..

Ein anderes Paramita, eines, das zu praktizieren mir sehr schwer fällt, ist die Geduld. Das ist mein Koan. Alle wissen, was es heißt, ungeduldig zu sein, insbesondere, wenn man Zazen praktiziert und Schmerzen in den Beinen hat. Man wir ungeduldig und sehnt das Ende von Zazen herbei. In diesem Augenblick kann die Praxis der Geduld darin bestehen, sich zu fragen: „Wer wird ungeduldig?“ oder „Was ist so wichtig, dass ich ungeduldig werde?“ Wenn das Auto vor einem nicht losfährt, wenn die Ampel auf Grün umspringt, möchte man manchmal hupen. Oder wenn die Person, die vor einem an der Kasse steht, beginnt, ihre Cent zu zählen und eine Stunde braucht, um ihre Rechnung zu bezahlen, dann wird man ungeduldig – ich zumindest. Da kann man sich fragen: „Was passiert hier eigentlich? Wer wird ungeduldig? Glaubst Du, dass Du wichtiger bist, als die anderen? Warum sollen die Leute nicht das Recht haben, sich Zeit zu nehmen? Glaubst Du, dass Deine Zeit wertvoller ist, als die der anderen?“ In diesem Moment kann die Schwierigkeit, Geduld zu praktizieren, plötzlich eine hervorragende Möglichkeit werden zu erwachen. Schließlich gibt es auch die Tatsache ungeduldig mit der Ungeduld zu werden, was noch mehr auf mich zutrifft, d.h. es macht mich traurig, dass mir Geduld fehlt. Das führt zu einer wichtigen Praxis des Bodhisattva, die darin besteht, Geduld zu haben bezüglich der eigenen Bonno. Das ist sehr wichtig. Die Arhats haben keinerlei Geduld: Sie wollen alles abschneiden und vollkommen sein. In gewissem Sinn ist das einfacher, denn der Bodhisattva legt das Gelübde ab, in der Welt der Täuschungen zu bleiben, gemeinsam mit allen Wesen und abzutrennen ohne abzutrennen. Er behält also immer eine Dosis von Täuschungen, von Bonno. Das hat das Verdienst, dass es ermöglicht, sich nicht für den anderen überlegen zu halten, und hält uns in Berührung mit dem, was das tagtägliche Leid in jedem ist. Geduld mit den eigenen Bonno zu haben, ist also ein Aspekt von Mitgefühl: Man kann um so besser verstehen, dass jeder aufgrund seiner Bonno leidet, als man in Kontakt mit ihnen bleibt.

Es gibt auch die Geduld in Bezug auf das Dharma. Es ist nicht so einfach, das Dharma zu praktizieren. Z.B. ist das, was ich euch gerade erkläre, etwas, das ihr schon oft gehört habt. Man sagt sich: „Das stimmt.“ Aber es gelingt einem nicht, es vollständig zu praktizieren. Was also tun, damit das Ego das Dharma nicht zurückweist? Was tun, damit man nicht in das Leid von Schuldgefühlen verfällt? Wenn man den Eindruck hat, dass es einem nicht gelingt, wird die Praxis der Geduld sehr wichtig. Zur wirklichen Praxis des Erwachens aber wird die Praxis der Geduld, wenn man realisiert, dass es letztlich niemand gibt, der Geduld hat, und dass es nichts gibt, bezüglich dessen man Geduld haben muss. D.h. dass nur dieser Augenblick existiert und es also überhaupt nichts zu erwarten gibt.

Das bringt uns zur Praxis der Bemühung, die oft in den Dojos verlangt wird. Die Dojo-Verantwortlichen betrachten es als Teil ihrer Funktion, die Leute aufzufordern, sich kontinuierlich mehr zu bemühen. Mehr praktizieren, das Gyôji regelmäßig praktizieren, täglich, also dahin gelangen, diese Bemühung unablässig zu machen, um die Praxis nicht zu unterbrechen. Das ist wichtig für einen selbst und das ist es auch, was man an die anderen weiterzugeben versucht, wenn man Zazen unterweist. Eine unablässige Bemühung ist um so erforderlicher, als wir auf einem Weg des Bodhisattva engagiert sind, mit dem unermesslichen Gelübde, das wir abgelegt haben, alle Wesen zu retten. Aber auch hier ist die Bemühung nur möglich, wenn sie nicht vom Ego kommt. Sonst erschöpft man sich, denn man hört nicht auf, sich zu zwingen. Also ist es wichtig, sich mit einer Energie jenseits unserer selbst zu verbinden, die nicht von unserem kleinen Ego kommt. Es geht darum, von der Praxis gezogen zu werden und den Buddha-Geist uns über uns hinaus tragen zu lassen. Das setzt Vertrauen voraus. Mit Vertrauen, d.h. mit einem Geist, der sich in völliger Einheit mit der Lehre Buddhas befindet, wird die Bemühung weniger notwendig. Natürlich ist Bemühung erforderlich, um diesen Vorgang in Gang zu setzen, z.B. muss man sich bemühen, um zu einem Sesshin zu kommen, um seine Wohnung zu verlassen. Wenn man aber das Dojo betreten hat, fühlt man sich von einer Dimension getragen, die uns übersteigt – selbst wenn man Schmerzen in den Beinen hat. So, wie Meister Dogen im Shobogenzo Shoji sagt: „Wenn Ihr Euren Körper und Euren Geist aufgebt und vergesst und das Haus Buddhas betretet, wenn Buddha Euch leitet und Ihr ihm folgt, dann werdet Ihr Buddha, ohne Euch anzustrengen und ohne zu denken, befreit von Leben und Tod.“ Wie dem auch sei, beides ist erforderlich: Praxis mit Bemühung und Praxis jenseits der Bemühung.

Das Paramita der Meditation ist für uns Zazen. In der ursprünglichen Unterweisung Buddhas wird von der Praxis von Dhyana gesprochen, von vier Stufen von Dhyana. Oft sagt man wie Meister Menzan: „Die Praxis von Zazen ist nicht die Praxis von Dhyana, ist nicht das Dhyana-Paramita.“ Das bedeutet, dass es nicht eine spirituelle Technik neben anderen ist, um uns zu erlauben, uns von unserem Ego zu befreien und das Satori zu erlangen. Zazen ist in sich selbst Praxis des höchsten Erwachens, hier und jetzt. Wenn man jedoch untersucht, worin die Praxis von Dhyana besteht, stellt man fest, dass es genau das gleiche ist. Die Praxis von Dhyana besteht darin, sobald man das Dojo betritt, alle persönlichen Emotionen fallen zu lassen, unsere Zweifel, unser Grübeln, die Tatsache, dass man Lust oder keine Lust hatte zu kommen. Es bedeutet auch, alle unterscheidenden Aktivitäten aufzugeben, unsere intellektuellen Aktivitäten, unsere Urteile, unsere Überlegungen. Es bedeutet sogar, die Freude aufzugeben, dass es einem in Zazen gut geht, die manche für das Satori halten. Über genau das muss die Praxis von Zazen unaufhörlich hinausgehen. Man könnte daher glauben, dass es darum geht, einen Zustand der Gleichmut zu erreichen, weder Liebe noch Hass. Aber es ist sogar jenseits des Gleichmuts.

Die Praxis von Zazen übersteigt jede Praxis: Das ist dann der Fall, wenn man nichts mehr praktiziert und niemand mehr da ist, der irgend etwas praktiziert. So ist die Praxis von Zazen wirklich eine Befreiung. Hyakujo nennt das „unmittelbares Erwachen“. Er sagte: „Im Grunde bedeutet die Praxis des Erwachens zu realisieren, dass das Erwachen nichts ist, was man erreicht.“

Dies bringt uns zum letzten Paramita, der Praxis der Weisheit. Meister Deshimaru sagte immer, dass Weisheit sich selbst zu verstehen ist. Es bedeutet nicht, den Buddhismus zu verstehen: Buddha hat gelehrt, sich selbst zu verstehen. Sich selbst zu verstehen geschieht auf mehreren Ebenen. Zunächst bedeutet es, diese Illusion des Ego zu verstehen. Man darf es aber mit der Aufgabe des Ego nicht zu eilig haben wollen, indem man sich sagt, dass es im Grunde eine Täuschung ist. Man muss betrachten, wie es funktioniert, wie wir konditioniert sind, wie das Erblinden durch unsere Täuschungen funktioniert. Z.B. begegnet man jemanden und statt die Person selbst zu sehen, zeigen sich geistige Projektionen und man erinnert sich daran, was diese Person beim letzten Mal zu uns gesagt hat. Wenn es sich um eine Kritik gehandelt hat, wird man die Person verärgert betrachten, den man sieht sie durch seine geistigen Projektionen hindurch. Weisheit besthet bereits darin, das wahrzunehmen. Das bedeutet, um mit Kodo Sawaki zu sprechen, zu sehen, wie unsere vom Karma getönten Brillengläser unsere Sicht von Dingen und Wesen verfärben. Für ihn bestand die Praxis von Zazen darin, diese getönten Brillen abzulegen. Weisheit im Sinne der rechten Sicht, im Sinne von Shoken im Hannya Shingyo, besteht nicht einfach darin, zu sehen, dass die fünf Aggregate nur Leerheit sind, es bedeutet zu sehen, wie diese Aggregate funktionieren, um uns zu täuschen. Das bringt auch Dogen zum Ausdruck, wenn er sagt, dass die gewöhnlichen Menschen sich hinsichtlich des Erwachens täuschen, während die Erwachten ihre Täuschungen klären. Man hat also unaufhörlich die Gelegenheit zu beobachten, wie das abläuft, sowohl im Dojo als auch im Alltag, und das muss einer der grundlegenden Aspekte unserer eigenen Praxis sein.

Am wichtigsten ist es aber zu sehen, dass es im Grunde niemanden gibt, der sich täuscht, dass es nichts gibt, bezüglich dessen sich jemand täuschen kann. Diese absolute Dimension der Praxis der Weisheit kann zu keinem Zeitpunkt von der Tatsache getrennt werden, dass in der Wirklichkeit, im täglichen Leben, ich es bin, der sich täuscht, und es viele Anlässe der Täuschung gibt. Ich glaube, dass es einer der wichtigen Aspekte unserer Praxis ist, uns frei zwischen diesen beiden Dimensionen, der absoluten und der relativen Dimension, hin und her zu bewegen. Wenn man das nicht macht, kann man dogmatisch hinsichtlich des Nicht-Ego, des Nicht-Ich werden und nur diesen Aspekt klären und sich nicht bewusst werden, wie man unablässig von der Dimension des Ego ergriffen ist. Ich glaube also, dass man wirklich beides sehen muss und dass es die Praxis der Paramita ist, die die relative Dimension des von unserem Ego konditionierten Lebens mit der absoluten Dimension verbindet, in der man sich bewusst wird, dass es letztlich kein Ego gibt, nichts an das man sich klammern könnte, nichts bezüglich dessen man sich täuschen könnte. So wird die tiefe Dimension der Praxis des Weges realisiert.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.

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