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Buddhismus und Globalisierung

 

Das Thema des Vortrags besteht aus drei Worten: „Buddhismus“, „Globalisierung“, „und“. Dementsprechend wird mein Vortrag auch drei Teile haben. Ich werde zunächst über den Buddhismus sprechen, dann über die Globalisierung und abschließend die Buddhismus und Globalisierung zueinander in Beziehung setzen.

1. Buddhismus

Lassen Sie mich mit einer Feststellung beginnen, die Sie vielleicht etwas überraschen wird:

Der Buddhismus wurde in Europa erfunden.

Buddha lebte etwa zwischen 560 und 480 vor unserer Zeit in Nordindien und lehrte etwas, was als „Dharma“ bezeichnet wurde. In den Jahrhunderten nach seinem Tod verbreitete sich das „Dharma“ in verschiedenen Ländern Asiens und nahm dort Formen an, die sich z.T. erheblich unterscheiden. Sie befinden sich hier in einem Zen-Zentrum, in dem das Dharma in einer Form praktiziert wird, wie sie sich von Indien kommend in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung in China, ab dem 13. Jahrhundert in Japan und seit den ausgehenden 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in Europa entwickelt hat.

Weder zur Zeit Buddhas noch in den Jahrhunderten nach ihm wurde der Begriff „Buddhismus“ verwandt. Der Begriff wurde erst im 19. Jahrhundert in Europa geprägt.

Ich spreche das an, weil hier bereits zweierlei deutlich wird, das einen Bezug zum Thema meines Vortrags hat
• Gedanken, Sichtweisen, Ideen verbreiten sich geographisch. – Hierbei handelt es sich also nicht um ein neuzeitliches Phänomen.
• Im Laufe der Zeit setzen sich bestimmte Begriffe zur Bezeichnung von Gegenständen, Sachverhalten, Ideen u.ä. durch. Oft steht hinter der Verwendung bestimmter Begriffe ein bestimmtes Interesse und es hat etwas mit den Machtverhältnissen zu tun, welcher Begriff sich durchsetzt. (Beispiele: Atomkraftwerk vs. Kernkraftwerk, Mülldeponie vs. Entsorgungspark)

Buddhas Anliegen war es nicht, ein abstraktes Ideengebäude zu errichten, wie es die Endung ‚-ismus’ im Wort ‚Buddhismus’ andeutet, ihm ging es darum, den Menschen zu helfen, sich vom Gefangensein im Kreislauf des Leidens zu befreien.

Zu diesem Zweck analysierte Buddha die Wirklichkeit. Er erkannte, dass die Wirklichkeit durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist:
• Alles, was existiert, ist in wechselseitiger Abhängigkeit, ist bedingt entstanden.
• Alles, was existiert, hat keine eigenständige (unabhängige) Substanz, keine innewohnende Selbstnatur.
• Alles, was existiert, ist unbeständig.
• Die Vorstellung eines beständigen Ichs ist eine Täuschung.
(Beispiele: Regenbogen, Mensch)

Diese Sicht der Wirklichkeit unterscheidet sich erheblich von der Sichtweise, an die wir gewöhnt sind. Wir neigen dazu
• die bedingte Existenz zu übersehen,
• Dingen und Phänomenen eine Substanz zuzuschreiben,
• an die Dauerhaftigkeit von Dingen und Phänomenen zu glauben,
• unserem Ich Beständigkeit und Dauer zu verleihen.

Eine der Ursachen für unsere übliche Sicht der Dinge liegt darin, dass unsere Sprache uns zwingt, bestimmte Teile der Wirklichkeit zu isolieren und eine Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt vorzunehmen und wir dann glauben, dass die unterschiedenen Einheiten tatsächlich getrennt voneinander existieren. (Beispiel: Ich habe mir den Kopf gestoßen.)

Hinzu kommt, dass wir, wenn wir über einen Aspekt der Wirklichkeit nachdenken und über ihn sprechen, immer von der konkreten Wirklichkeit, der konkreten Wirklichkeit hier und jetzt abstrahieren. Darauf haben Zen-Meister oft hingewiesen. Z.B. fragte ein Schüler nach dem tiefsten Sinn der Lehre Buddhas. Sein Meister fragte zurück: „Hast Du schon Deine Reissuppe gegessen?“ – „Ja, Meister.“ – „Dann geh und spüle Deine Schale.“ – Auf die Abstraktionen, die wir vornehmen, weisen auch Sätze wie der folgende hin: „Die Abbildung einer Blüte verströmt keinen Duft.“

Wenn wir hier über „Buddhismus“ und „Globalisierung“ sprechen, müssen wir im Blick behalten, dass es sich hierbei um Abstraktionen handelt, die sich von der Wirklichkeit, so, wie sie ist, unterscheiden.

Die richtige Sicht der Wirklichkeit war für Buddha eine der Voraussetzung dafür, dem menschlichen Leid ein Ende zu setzen.

Leid hat aus Sicht des Buddha drei Hauptursachen:
• Gier, haben wollen,
• Hass, nicht haben wollen
• Verblendung, die Wirklichkeit nicht so sehen, wie sie ist
Diese drei Leidensursachen werden auch als 3 Gifte bezeichnet.


Gegen diese drei Gifte empfahl Buddha drei Medikamente:
• gegen Gier hilft Freigiebigkeit,
• gegen Hass hilft Mitgefühl,
• gegen Verblendung hilft Weisheit.

Soweit einige grundlegende Aspekte der Lehre Buddhas. – Ich möchte nun zum 2. Teil meins Vortrags kommen, zur Globalisierung.

2. Globalisierung

Unter Globalisierung versteht man, so beschreiben es die Autoren Online-Ausgabe der Encyklopaedia Britannica:

„den durch die Ausbreitung von Waren und Ideen gekennzeichneten Standardisierungsprozess der Alltagserfahrung.

Zu den Faktoren, die zur Globalisierung beigetragen haben, zählen die zunehmend ausgefeilteren Kommunikations- und Transport-Technologien, die Wanderungsbewegungen der Menschen und die Tatsache, dass die ökonomische Aktivität unter dem Einfluss von grenzüberschreitenden Industrie- und Handelsunternehmen und von internationalen Abkommen, die die Kosten von Geschäften im Ausland senken, über die nationalen Märkte hinausgewachsen ist.“

Ich möchte das, was die Autoren hier recht abstrakt formulieren an einem Beispiel erläutern, das in der letzten Zeit durch die Medien ging: Die Verteuerung von Milchprodukten Anfang September wurde u.a. damit begründet, dass die Nachfrage nach Milchpulver in asiatischen Ländern gestiegen ist, da die Menschen dort in zunehmendem Umfang Fastfood-Produkte nachfragen – z.B. McDonalds-Erzeugnisse – zu deren Herstellung Milchpulver erforderlich ist.

Dieses Beispiel kann ebenfalls zur Erläuterung einer anderen Definition der Globalisierung dienen, die von den Autoren des Online-Lexikons Wikipedia stammt. Sie verstehen unter Globalisierung den Prozess

„der zunehmenden internationalen Verflechtung in allen Bereichen (Wirtschaft, Politik, Kultur, Umwelt, Kommunikation etc.). Diese Intensivierung der globalen Beziehungen geschieht auf der Ebene von Individuen, Gesellschaften, Institutionen und Staaten.“

Ich möchte nun zum 3. Teil meines Vortrags kommen.


3. Buddhismus und Globalisierung

Aus buddhistischer Sicht kann man auf viele Aspekte der Globalisierung eingehen. Ich möchte nur zwei Aspekte der eben genannten Definitionen von Globalisierung aufgreifen,
• die zunehmende internationale Verflechtung auf der Ebene der Individuen und die
• die Standardisierung der Alltagserfahrung.

a) Die zunehmende internationale Verflechtung auf der Ebene der Individuen

Buddha ging es, wie bereits angesprochen, darum, den Menschen einen Weg zu zeigen, um ihr Leiden zu beenden. Dabei ging er davon aus, einen für alle Menschen an allen Orten und zu allen Zeiten gültigen Weg gefunden zu haben. Der Buddhismus erhebt also einen Anspruch auf globale Gültigkeit. (Und, wenn man die Sutren des Mahayana betrachtet, sogar auf eine Gültigkeit weit darüber hinaus: In den Mahayana-Sutren ist oft die Rede von Buddhas in ganz anderen Welten als der unseren.)

Auch die monotheistischen Religionen haben sich immer bemüht, allgemeingültige Aussagen mit dem Anspruch globaler - und darüber hinaus gehender - Geltung zu machen: Der eine Gott hat alles geschaffen, diese Welt und alle Welten.

Diesem globalen Gültigkeitsanspruch stand jedoch eine zumeist nur regionale Verbreitung auf höchstens einem Kontinent gegenüber. Die geographische Ausbreitung des Buddhismus, von der ich anfangs sprach, beschränkte sich auf Asien. Im Westen, Europa und den USA, wurde das Dharma in nennenswertem Umfang erst seit Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts verbreitet. Voraussetzung dafür waren die zunehmenden Reisemöglichkeiten – sowohl von Europäern nach Asien als auch umgekehrt von Asiaten nach Europa – und die vereinfachten Kommunikationsmöglichkeiten.

Das aus meiner Sicht eklatanteste Beispiel hierfür ist der Dalai Lama, das aus seiner Heimat vertriebene religiös-politische Oberhaupt Tibets, eines Staates mit nur wenig mehr Einwohnern als das Saarland (2,7 Mio). Innerhalb weniger Jahrzehnte wird der Dalai Lama zu einem der anerkanntesten religiösen Führer weltweit. Sein Einfluss und der anderer Tibeter bewirkt eine Ausbreitung des tibetischen Buddhismus innerhalb vieler europäischer Staaten. Heutzutage gibt deutsche, holländische, französische, italienische, spanische tibetische Buddhisten.

Auch in anderen buddhistischen Traditionen spielten sich ähnliche Entwicklungen ab. Die Zazen-Praxis wurde z.B. 1967 von Meister Deshimaru aus Japan nach Europa gebracht. 40 Jahre später ist der Zen-Buddhismus in Europa fest verwurzelt. In fast allen europäischen Großstädten gibt es mindestens eine Zen-Gruppe.

Hinzu kommt, dass viele europäische Buddhisten LehrerInnen oder MeisterInnen haben, die in Asien oder den USA leben.

Die Verbreitung des Buddhismus in Europa ist Ausdruck und Folge der Globalisierung.

Diese Globalisierung hat uns auch einen der frühesten Texte des Zen, das Sandokai, zugänglich gemacht. In ihm warnt uns Meister Sekito, der im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung lebte, jeweils nur eine Seite zu sehen:

In Helligkeit ist Dunkelheit,
hafte nicht an der Dunkelheit.

In Dunkelheit ist Helligkeit,
suche nicht nach der Helligkeit.

Eines der dunkelsten Kapitel in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts war mit Sicherheit der Vietnamkrieg. Er hat aber nicht nur den Tod Tausender verursacht, er hat auch bewirkt, dass eine vietnamesischer Mönch, Thich Nhat Hanh, aus Vietnam fliehen musste. Im Westen wurde er zu einem der einflussreichsten und anerkanntesten buddhistischen Meister im.

Die Globalisierung hat also wesentlich dazu beigetragen, dass Menschen in und aus Europa die Globalisierung aus buddhistischer Perspektive betrachten können

b) Die Standardisierung der Alltagserfahrung

Buddha ging es darum, daruf wies ich bereits hin, den Menschen zu ermöglichen, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist. Wenn es, wie die Encyklopaedia Britannica sagt, das Hauptmerkmal der Globalisierung ist, die Alltagserfahrung zu standardisieren, muss man selbstverständlich die Frage stellen, welche Erfahrung der Wirklichkeit zum Standart wird: Trägt die Globalisierung dazu bei, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist, oder macht sie eine täuschende Sicht der Wirklichkeit zum Standart?

Leider ist wohl eher letzteres der Fall: Der Motor, der die Globalisierung antreibt, ist die gewinnorientierte kapitalistische Ökonomie. Nicht das Wohlergehen einer größtmöglichen Zahl von Menschen steht im Mittelpunkt der Globalisierung, sondern der Profit einer verschwindend geringen Anzahl von Personen. Es geht, um das Beispiel noch einmal aufzugreifen, nicht darum, den Gesundheitszustand der Weltbevölkerung durch gesunde Lebensmittel zu fördern, sondern darum, den Absatz von Big Macs und CocaCola zu steigern, um die Gewinne der betreffenden Unternehmen zu maximieren.

Die Auswirkung der drei Gifte von denen Buddha sprach - Gier, Hass und Verblendung - werden auf individueller, gesellschaftlicher, institutioneller und staatlicher Ebene immer deutlicher. Ich glaube, dass das, was ich für die Bundesrepublik beschreiben werde, auch für viele andere Länder gilt:
• Die Parole „Geiz ist geil“ bestimmt nicht nur das Handeln vieler Menschen im Alltag, sondern wird auch immer mehr zum Leitmotiv staatlichen Handelns im Umgang mit den Teilen der Bevölkerung, die eigentlich auf Solidarität und Unterstützung angewiesen sind.
• Die zunehmende Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit einzelner Menschen – vorwiegend, aber nicht nur, Männer – geht einher mit zunehmender Gewaltbereitschaft und zunehmender Legalisierung von Gewalttätigkeit von Staatsorganen (Auslandseinsätze der Bundeswehr).
• Die Ausweitung des Medienangebotes hat nicht zu einer Anhebung, sondern zu einem Absinken der Qualität des Angebots geführt. Die niedrigsten Instinkte des Menschen werden angesprochen, Verblendung wird zum Maßstab aller Dinge.

Ich bezweifle, dass der Ausbreitung dieser vergiftenden Tendenzen erfolgreich Einhalt geboten werden kann. Meister Deshimaru war der Begriff ‚mushotoku’ sehr wichtig. ‚Mushotoku’ heißt auf Deutsch: ‚Handeln, ohne vom Erfolg des Handelns abzuhängen’. Mit dieser Haltung müssen wir als Buddhisten im Angesicht der genannten negativen Folgen der Globalisierung handeln:
• auf Geiz mit Freigiebigkeit reagieren, z.B. nicht immer das Billigste kaufen.
• Aggression mit Mitgefühl beantworten, z.B. wirklich mitfühlen: Was macht jemanden so wütend, dass er so aggressiv wird? – Arbeitslosigkeit z.B. betrügt die Menschen um Lebenschancen.
• Weisheit entwickeln, statt verblendeten Sichtweisen zu folgen, z.B. Zazen praktizieren.

Die Globalisierung hat dazu beigetragen, dass wir hier in Europa die Bodhisattva-Gelübde ablegen können. Diese Gelübde machen deutlich, wie groß die Arbeit ist, vor der wir stehen:
• Unzählig sind die lebenden Wesen. Ich gelobe, sie alle zu befreien.
• Unerschöpflich sind die leidschaffenden Täuschungen. Ich gelobe, sie alle zu überwinden.
• Unermesslich sind die Pforten des Dharma. Ich gelobe, sie ganz zu durchdringen.
• Unbegrenzt ist der Buddha-Weg. Ich gelobe, ihn ganz zu verwirklichen.

Diese Gelübde haben Hunderttausende vor uns abgelegt, Hunderttausende werden sie nach uns ablegen. Arbeiten wir weiter! Hier und jetzt.

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